Georg Glockendon

Name
Georg Glockendon
Biographie
Der Erwerb des Nürnberger Bürgerrechts durch Georg [Jörg] Glockendon, den Bemaler des Behaim-Globus, im Juni 1484, ist der erste quellenmäßige Beleg, der Auskunft über das Leben dieses Buchmalers und Formschneiders [Anfertigung von Holzmodeln als Grundlage für den Holzschnitt] gibt. Auch wenn der Name Glockendon schon vor diesem Zeitpunkt in Nürnberg Erwähnung fand, ist anzunehmen, dass Glockendon doch von auswärts stammte. 1499 kaufte Georg Glockendon ein Haus im Taschental [Judengasse], wo er mit seiner Frau Kunigunde Lawtterhofer lebte und eine Werkstatt und einen Vertrieb von Einblattholzschnitten [Im 15. Jahrhundert äusserst beliebte gedruckte Bilder, z.B. Andachts- und Heiligenbilder] unterhielt. Seine zahlreichen Kinder unterstützten ihn in bei seiner Arbeit, die Söhne Albrecht und Nikolaus wurden gleichfalls berühmte Illuministen [Illuminieren: Ausmalen, insbesondere das Herstellen von Buchmalereien] und führten nach dem Tod des Vaters 1514 mit ihrer Mutter den Betrieb fort.
Einziges erhaltenes Zeugnis der Malertätigkeit Glockendons ist der Behaim-Globus. Dessen Bemalung durch Glockendon geht aus der Rechnung über die Globus-Kosten vom 26. August 1494 hervor. Weitere Quellen erwähnen auch Auftragsarbeiten für den Künstler, so wird vor allem von der Ausschmückung von Gesang- und Messbücher sowie von Wappenbriefen berichtet. Zu Glockendons Kundenkreis gehörten durchaus auch hochstehende Persönlichkeiten gehörten, unter anderem arbeitete er auch für Friedrich den Weisen von Sachsen.
Im Gegensatz zur Malerei, deren Ergebnis immer ein Einzelstücke darstellt, wurden Einblattholzschnitte in einer gewissen Auflagenstärke vertrieben. Folglich ist die Hinterlassenschaft Glockendons in diesem Bereich auch zahlreicher. Neben den üblichen Themen, wie Andachts- und Heiligendarstellungen, oder der Herstellung von Kalendern, widmete sich Glockendon auch Ereignissen, die zu seiner Zeit eine gewisse Aktualität besaßen, wie eine Wundererscheinung in Konstantinopel, die sich 1490 zugetragen haben soll, eine angebliche Hostienschändung durch Juden von 1475 oder die Indienexpedition Balthasar Sprengers von 150506. Glockendon beschäftigte sich auf dem Gebiet der Formschneiderei auch mit der Kartographie: Die von dem Kompassmacher Erhard Etzlaub 1492 angefertigte Karte der Nürnberger Umgebung wurde von Georg Glockendon gedruckt, ebenso die gleichfalls von Etzlaub stammende sogenannte 'Romweg-Karte' von 1500.
Fragt man nach dem künstlerischen Stellenwert der Werke Glockendons, so ist es richtig und sinnvoll zwischen der Miniaturmalerei und seinen Einblattholzschnitten zu unterscheiden. Für eine Bewertung seiner Fähigkeiten als Illuminist kann nur die laut Rechnungseintrag 15 Wochen dauernde Bemalung bei der arbeitsteiligen Herstellung des Behaim-Globus herangezogen werden. Hier fällt auf, dass sich Glockendon bei der gezwungenermaßen oft kleinformatigen Darstellungsweise in die Vereinfachung von Formen oder Personen retten mußte. Bei größeren Elementen dagegen wird seine Liebe zum Detail erkennbar, dazu ist sein, wenn auch unausgereiftes Bemühen um Plastizität gegenwärtig. Dies kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Malerei Glockendons von einer stimmigen Proportionierung weit entfernt ist.
Bezüglich der Einblattholzschnitte ist eine Analyse der Glockendon-Blätter zur Illustration der Indienexpedition Balthasar Sprengers recht ergiebig. Glockendon kopierte die Holzschnittvorlagen von Hans Burgkmair, 1508 hergestellt, zu demselben Thema. Hinsichtlich der Technik ist zu bemerken, dass Glockendons Schnitt wesentlich gröber ist als Burgkmairs, die Linien also weiter auseinanderliegen und somit die Hell-Dunkel-Kontraste nur schwach ausgeprägt sind. Dies hat zur Folge, dass die Figuren sehr flächig wirken, ihr Körpervolumen konsequenterweise nur wenig glaubwürdig ausgeprägt ist. Lediglich die Gewandfiguren [Figur, deren Körper durch ein Gewand so verdeckt ist, dass er allein durch das Gewand gebildet wird] entwickeln durch die großzügige Faltenbildung ihrer Umhänge Räumlichkeit. Auffallend sind auch die unstimmigen Proportionen der in Mimik und Gestik beschränkten Figuren, ihre steifen, statischen und daher unnatürlich wirkenden Bewegungen. Darüber hinaus präsentieren sich die Dargestellten mit europäischen Gesichtszügen, obwohl sie Vertreter ferner Völker sein sollen, darauf wird jedoch nur durch ihre Ausstattung mit exotischen Beigaben, wie Pfeil, Ohrring, Lendenschurz oder Tierfell Rücksicht genommen. Zu bemerken ist auch, dass auf die Ausbildung eines Hintergrundes verzichtet wird, die Figuren stehen vor dem Raum, nicht im Raum. Eine Darstellung Sitzender oder Rückenansichten, kurz alle Abbildungsvarianten, die Aktstudium beziehungsweise Kenntnisse der menschlichen Anatomie erfordert hätten, vermeidet Glockendon gänzlich. Anders als Burgkmair weisen die Gewänder bei ihm keine Muster oder Ornamente auf, Beiwerk wie exotische Tiere fehlen gleichfalls.
Glockendon übernimmt von Burgkmair also lediglich Motive, die er nach seinem deutlich beschränkteren Vermögen wiedergibt. Das fehlende Studium des menschlichen Körpers, die alleinige Bildung von Räumlichkeit durch Gewandstrukturen, die Vernachlässigung der Hintergrundgestaltung - all dies sind eindeutige Indizien dafür, wie sehr Glockendon der Gotik verhaftet war. Von den ersten zaghaften Einflüssen der Renaissance, die im Werk anderer Künstler seiner Zeit zu erkennen sind, ist bei Glockendon nichts zu spüren.