Hytext Festland Westeuropa 0

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Wissensstand: Westeuropa ist auf dem Behaim-Globus zutreffender dargestellt als auf den meisten anderen zeitgenössischen Karten und Globen. Besonders eindrucksvoll zeigt sich dies bei den Konturen der Britischen Inseln. Auch die kleineren geographischen Objekte kommen in der Regel den tatsächlichen Gegebenheiten recht nahe, was sich unter anderem markant in den Flußläufen zeigt, prägnant ist in dieser Hinsicht der Rhein mit seinen Nachbarflüssen. Natürlich enthält aber auch das Europabild noch Irrtümer, so verlegt der Globus die Stadt York nach Schottland, ignoriert bei der Umzeichnung der Bretagne die Buch von St. Malo und lässt die Rhone in der Nähe der Pyrenäen ins Mittelmeer fliessen. Das Fehlen wichtiger Handelsmetropolen wie Antwerpen oder Brügge indes ist wohl durch erheblichen Schäden zu erklären, die der Globus - vermutlich als Folge menschlicher Berührung - gerade im Bereich von West- und Mitteleuropa erlitten hat. Quellen: Die Darstellung Westeuropas auf dem Behaim-Globus weist kaum noch ptolemäische Merkmale auf, sondern beruht im Wesentlichen auf die typischen Elemente der südeuropäischen Portulane. Dies zeigt sich deutlich in der Umzeichnung der Britischen Inseln und auch in der Verwendung von 'modernen' Ortsnamen. Allerdings bietet Behaims 'Erdapfel' im Gegensatz zu den küstenorientierten Portulanen auch fundiertes Wissen über die Regionen im Landesinneren und weicht ohnehin in wichtigen Details [z.B. der stufige Küstenverlauf im Nordwesten Europas] oder Benennungen [z.B. 'das engelis mere' für die Nordsee] von diesen ab. Daraus läßt sich schließen, dass Behaim womöglich eine kartographische Vorlage vom Portulan-Typ für seine Darstellung Westeuropas gehabt haben mag, diese aber höchstwahrscheinlich durch weiteres Material, womöglich auch in Form von Reiseberichten oder Informationen aus dem Nürnberger Humanistenkreis, modifiziert und ergänzt worden ist. Weltbild: In Schottland ist eine Herrscherfigur plaziert, in Irland der Nationalheilige St. Patrick erwähnt, doch ansonsten sind die Informationen über Westeuropa vergleichsweise nüchtern und zweckorientiert gehalten. Die Auswahl der Regionen und Städte unterstreicht diese Vermutung, denn in aller Regel handelt es sich um de facto unabhängige Herrschaftsgebiete sowie um Orte mit einer wichtigen Funktion in Handel und Wirtschaft. Graphisch sollte dieses Ordnungsprinzip wohl auch durch die Verwendung von Fahnen und Wappen unterstrichen werden. Im Gegensatz zur geographischen Information können sie jedoch nicht als seriös gelten. Zwar lassen sie die heraldischen Zeichnungen überwiegend einem Träger zuordnen, doch sind sie teilweise veraltet, wie beispielweise das Wappen von Frankreich. In einem Fall wird ein Herrschaftszeichen sogar falsch zugeordnet: so symbolisiert ausgerechnet das englische Georgskreuz das damals noch unabhängige Königreich Schottland.
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