Muris, O. : Der Globus des Martin Behaim.
Der Globus des Martin Behaim (1)
Oswald MurisIn einer historischen Untersuchung über die Entwicklung des Erdbildes auf Globen und Karten nimmt der Behaim-Globus oder der "Erdapfel", wie ihn sein Schöpfer selbst genannt hat, unstreitig die erste Stelle ein, nicht allein deshalb weil er der älteste erhaltene Erdglobus ist, sondern als Kulturdokument seiner Zeit, das uns das vorcolumbianische Erdbild vermittelt. Der Globus befindet sich heute im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg, seit 1907 als Leihgabe der Familie Behaim, ging er 1937 in den endgültigen Besitz des Museums über. Martin Behaim hatte ihn während eines dreijährigen Aufenthaltes seiner Vaterstadt im Jahre 1492 angefertigt und ihn der Stadt zum Geschenk gemacht als Dank für die gastliche Aufnahme. Anfänglich ein vielbewundertes Schaustück, geriet er nach und nach in Vergessenheit und wurde im Laufe des 17. Jhdts. der Familie Behaim als Eigentum zugewiesen. Bei dem sehr hohen Alter des Globus ist es kein Wunder, daß er viel von seiner Jugendfrische und Farbenfreudigkeit verloren hat. Die Farben sind stark nachgedunkelt, so daß ihr ursprünglicher Glanz verloren gegangen ist. Im Laufe der Jahrhunderte waren Restaurationen am Material notwendig geworden. F. GHILLANY (2) berichtet von einer solchen im Jahre 1823, die von einem gewissen Karl Bauer und seinem Sohne Johann Bernhard durchgeführt worden ist. E.G. RAVENSTEIN (3) nennt noch eine weitere von 1847 und weist darauf hin, daß diese Restaurationen ohne Hinzuziehung von geographisch geschulten Kräften erfolgt seien. Es ist anzunehmen, daß schon diesen uns bekannt gewordenen Restaurationen andere vorausgegangen sind, so daß viele in den Legenden vorhandene Irrtümer und Mißdeutungen dadurch ihre Erklärung finden, daß wahl- und kritiklos an den Globen gearbeitet wurde. Nachdem das Germanische Nationalmuseum den Globus erworben hatte, bedurfte es einer grundlegenden und sorgfältigen Reinigung und Herrichtung durch den Restaurator Barfuß, um ihn dem wissenschaftlichen Studium wieder zugänglich zu machen (4).
Die Annahme der Kugelgestalt der Erde ist ein Erbe der Antike. Von Pythagoras (um 580-500 v. Ch.) intuitiv erschlossen, daß die Erde als vollkommenstes Gebilde auch die vollkommenste Gestalt habe, also eine Kugel sein müsse, wird diese Erkenntnis von den griechischen Philosophen übernommen. Im "Phaidon" läßt Plato (427-347 v. Ch.) den Sokrates diesen Gedanken kurz vor seinem nahen Tode noch eindringlich als das Weltbild des antiken Denkens darlegen. Selbstverständlich beschränkt sich der Gedanke nur auf den Kreis der Gelehrten; in die breite Masse des Volkes ist er noch nicht gedrungen (5). Der [170] einfache Mann hielt an der Scheibengestalt der Erde nach wie vor fest. Aristoteles (384-322 v. Ch.) versucht bereits die Beweise für die Kugelgestalt zu geben, wie sie heute noch gelten und in den Schulen gelehrt werden. Von Krates aus Mallos (Cilicien, im 2. Jhdt. v.Ch.) wissen wir, daß er die Erde in Kugelform gestaltet hat. Es wäre das somit der erste Globus überhaupt. Aber dieser mag wohl nur ein Symbol der Erde gewesen sein, wie er auch als solches zum Urbild des Reichsapfels kaiserlicher Herrscher geworden ist. Schließlich stellte Ptolemäus (in der ersten Hälfte des 2. Jhdt. n.Ch.) in seinem geozentrischen System die Erde als Kugel dar, im Mittelpunkt des Kosmos sich um sich selbst drehend und die Planeten, einschließlich der Sonne, sich um die Erde bewegend. Nur der Fixsternhimmel verharrt in ewiger Ruhe. Mit der Herrschaft der christlichen Kirche sank dieses Denken der gelehrten Schichten ab, da nur gelten durfte, was in der Bibel stand, und diese wußte nichts von der Kugelgestalt der Erde. Indes im arabischen Kulturkreis erhielt sich dieser Gedanke weiterhin, und auf diesem Umwege taucht er in der Zeit der Kreuzzüge auch im mittelalterlichen Denken wieder auf. Es steht fest, daß Friedrich Barbarossa den Almagest (= arab.: Tabrir al maghesti, d.h. "größte Zusammenstellung") des Ptolemäus aus dem Arabischen ins Lateinische übersetzen ließ. So mag es uns nicht verwundern, daß in einzelnen mittelhochdeutschen Dichtungen von der Erdgestalt als "kugelecht" oder als "bal" gesprochen und sie mit der runden Gestalt der Sonne und des Mondes verglichen wird. In der Zeit der Inquisition gelten aber solche Gedanken als ketzerisch. So vermag einer der ersten und bedeutendsten Humanisten seiner Zeit, Nikolaus von Cues (1401 bis 1464), nur in versteckten Wortspielen dieser seiner Überzeugung Ausdruck zu geben.
In der geistigen Welt eines jeden Volkes spielt die Frage nach Gestalt und Beschaffenheit des Erd- und Weltraumes eine bedeutende Rolle. Auf die naive Anschauung, die das allgemeine Weltbild in mythologischen Bildern formt, folgt die wissenschaftliche mit ihren hypothetischen Denkbildern. Beide aber streben nach Beantwortung der letzten Fragen: Woraus besteht die Welt? Welches ist der Grundstoff? Worin besteht die Grundform und das ordnende Grundprinzip? Hatte man, wie wir im Vorangehenden gesehen haben, die Kugelgestalt als Grundform einmal erkannt, so war auch die Voraussetzung für die Darstellung der Erde als Globus gegeben. Für das Altertum und das folgende Mittelalter jedoch fehlte noch eine weitere Voraussetzung, nämlich das füllende Raumbild. Und es fehlte so lange, als nicht alle Erdräume bekannt waren. So blieb der Globus des Krates eben doch nur ein Symbol und ein Torso. Das mittelalterliche Denken begnügte sich daher mit Kartenbildern, die ihren Inhalt aus der Bibel schöpften. Mit der Entschleierung der Erde, die im Zeitalter der großen Entdeckungen mit voller Kraft durchgeführt wird, ist die zweite Voraussetzung gegeben und damit auch die Möglichkeit, echte Globen zum Zweck der Orientierung auf der Erdoberfläche zu schaffen.
Zur Zeit Martin Behaims sind Globen aus Holz und Metall allgemein bekannt und vielfach genutzt (6). Beim Behaim-Globus ist aber die Materialfrage werktechnisch gelöst, und zwar so, daß dieser Globus als das älteste Beispiel seiner Art gelten kann. Er besteht aus einer Pappmasse, die über einer Lehm- [171] form zur Hohlkugel gerundet, dann am Äquator aufgeschnitten und nach Entfernung der Form wieder zusammengefügt wurde. Eine darüber gelegte Schicht Gips bildete die verfestigte Grundlage, auf die nunmehr die bereits fertig beschrifteten und bemalten Pergamentsegmente aufgezogen wurden. Diese älteste und zweckmäßigste Art der Anfertigung und des Auflegens der Globushaut auf den Kugelkörper ist erstmalig am Behaim-Globus nachweisbar, wird aber in der Literatur nicht vor der Mitte des dritten Jahrzehntes des 16. Jhdts (7) erwähnt. Ebenso sind die Segmente (Zweiecke) beim Behaim-Globus am Äquator halbiert aufgetragen und damit in der Methode vereinfacht, während in den nachfolgenden Zeiten bis ins 17. Jhdt. hinein die Segmente ungeteilt von Pol zu Pol aufgezogen werden. Erst Blaeu und Greuter wandten die vereinfachte Methode mit den Halbsegmenten an, ohne allerdings zu wissen, daß Behaim ihnen darin voranging. Es ist überhaupt erstaunlich, wie der Behaim-Globus seiner Technik allen seinen Nachfolgern weit voraus ist. So hat Martin Behaim bereits die Polarkalotten mit einem Durchmesser von 22,0 und 23,1 cm ganzheitlich als Kreis ausgefüllt und damit eine Schwierigkeit überwunden, die immer entsteht, wenn man die in Spitzen auslaufenden Segmente zusammenpaßt. Erst Gerhard Mercator hat sich dieser praktischen und vereinfachten Methode 1541 bei seinen Globen bedient. Und ebenso ist Behaim noch ein weiterer technischer Fortschritt seiner Zeit bekannt, den erst Matthäus Seutter bei seinen Globen aus dem Jahre 1710 angewandt hat. Die Lücke zwischen den Segmenten konnte dadurch noch besser geschlossen werden, indem man einen schmalen Sektor aus der Kreisscheibe ausschnitt. Damit gewinnt diese beim Zusammenfügen der Schnittränder die Form eines flachen Kegels, der sich der Kugelhaube mit großer Genauigkeit anschmiegt. Damit kann nicht Seutter, wie Fiorini fälschlicherweise meint, der Erfinder dieser Methode sein, sondern bestenfalls ihr Wiederentdecker.
Über nichts sind wir im Leben Martin Behaims besser orientiert als über die Veranlassung und Entstehung seines "Erdapfels". Dies muß von der Forschung umso dankbarer empfunden werden, als über seine Jugendzeit und den Lebensabschnitt nach der Fertigstellung des Globus die Quellen sehr spärlich und oft recht trüb fließen. Man ist gezwungen, über die vielen Lücken hinweg mit Vermutungen zu operieren, die letzten Endes jede Wahrscheinlichkeit in einem ungewissen Zwielicht belassen und damit der Persönlichkeit des Mannes nicht immer voll gerecht werden. So kann H. WINTER (8) mit Recht auf die erhebliche Problematik hinweisen, die diese "international bekannte geschichtliche Figur" umwittert. Es dürfte feststehen, daß Martin Behaim in seiner Jugend wohl um das Jahr 1470 den weit berühmten Mathematiker und Astronom Regiomontanus (nach seinem Geburtsort Königsberg in der Oberpfalz so genannt) in seinem Vaterhause kennen gelernt hat. Ob er dessen Schüler war, ist nie beurkundet. Immerhin darf man annehmen, daß er von diesem Wissenschaftler irgendwie dahin beeinflußt wurde, sich mit der Mathematik und den Grundlagen der Sternkunde bekannt zu machen. War doch die Beobachtung der Gestirne damals eine viel begehrte und viel gelehrte Wissenschaft, vor allem war sie die propädeutische Wissenschaft für die Nautik. Regiomontanus war auch der Verfasser des berechneten Tabellenwerkes, der Ephemeriden, die von 1474 bis 1506 reichten in der Vorausberechnung der Standorte der Himmelskörper [172] für jeden Zeitpunkt des Jahres. Er ist auch der Erfinder des verbesserten Jakobstabes, jenes Gerätes, mit dessen Hilfe man den jeweiligen Standort des Schiffes bestimmen konnte. Die Verbesserung bestand darin, daß man diese Ortsbestimmung auch vom Deck des fahrenden Schiffes machen konnte, während man bis dahin zu jeder Ortsbestimmung landen mußte. Daneben fertigte er Astrolabien, d.h. nautisch astronomische Instrumente an, die noch heute im Germanischen Nationalmuseum vorhanden sind. Nürnberg war nicht nur Handelsmetropole, sondern auch Sammelpunkt aller für den Handel und die Seefahrt notwendigen Voraussetzungen.
Es liegt deshalb nahe, daß der junge Patriziersohn Behaim, der von vorneherein für den Kaufmannsstand bestimmt war, mit all dem notwendigen Wissen versehen wurde, das er für seinen künftigen Lebensweg notwendig brauchte. So ward ihm auch schon in jungen Jahren in dieser Zentrale der Globusmacherei der Gedanke von der Kugelgestalt der Erde vermittelt worden. Nach dem Tode seines Vaters (1476) kommt Martin Behaim nach Flandern in die kaufmännische Lehre. Nach seiner Lehrlingszeit in Mecheln zieht es ihn nach Antwerpen, dem damals großen Warenumschlagsplatz zwischen West- und dem übrigen Europa. Es beginnen seine Wanderjahre und führen ihn notwendigerweise nach Lissabon, der damaligen Welthandelsmetropole, wohin er etwa um 1482 in Geschäften reist. 1483 ist er nach achtjähriger Abwesenheit wieder in Nürnberg, wie aus den noch vorhandenen Polizeiakten zu ersehen ist. In der Folgezeit lebt er in Lissabon und findet alsbald Zugang zum königlichen Hof. Auf welcher Grundlage das erfolgt, darüber sagen die Quellen so gut wie nichts aus. Sicher ist nur dies: Martin Behaim ist 1484 wieder in Lissabon. 1485 wird er in der Stadt Alcobaca in San Salvators Kirche nach der Messe am 18. Februar von König Johann II. eigenhändig unter Assistenz von vier Paten und im Beisein aller Fürsten der Ritterschaft und der Königin zum Ritter geschlagen. Er ist 26 Jahre alt, als er diese Standeserhöhung erhält (9). Keine Quelle verrät uns, weshalb das geschieht, aber ohne jegliches Verdienst wurde niemand in den Ritterstand erhoben. Dieser junge deutsche Handelsherr mußte dort irgendetwas zu bieten gehabt haben, daß man ihn so ehrte und bald danach auch in den geheimen Rat des Königs aufnahm.
Hier setzen wieder die Vermutungen und Wahrscheinlichkeitsschlüsse ein, die niemanden recht befriedigen. Es liegt aber nahe, daß Martin Behaim sein technisches Wissen und Können in den Dienst der portugiesischen Schiffahrt stellte. Es ist wieder einmal ein Zeitpunkt, in welchem der portugiesische König einen neuen Angriff plant, den Weg nach Indien um Afrika zu erzwingen. Diego Cão ist dafür ausersehen, die Fahrt entlang der Küste zu unternehmen. Bislang war man bis in die Bucht von Guinea gelangt. Es galt nunmehr weiter südwärts vorzudringen. Was lag näher, als daß man sich der Hilfe des Martin Behaim versicherte. Mit der neuen Methode des verbesserten Jakobstabes konnten die Ortsbestimmungen vom schwankenden Schiffe aus erfolgen. Es galt also, die geplante Expedition des Cão mit den für die damalige Zeit modernsten Hilfsmitteln auszustatten. So darf man annehmen, daß Martin Behaim in Lissabon mit dieser Aufgabe betraut wurde, und daß er selbst an vorbereitenden Fahrten teilnahm. Ob er aber an der Fahrt des Diego Cão bis zur heutigen Walfischbai teilgenommen hat, ist durch keine Quelle bezeugt. Vorwiegend sind es nichtdeutsche Forscher, die hier gern von einer deutschen Legendenbildung [173] sprechen. Gewiß, wir haben für die Teilnahme an der Fahrt keine sichere Quellenangabe und ebenso keinen schlüssigen Beweis. Aber auch die Gegenseite arbeitet nur mit Vermutungen und Annahmen. So sehr sich H. WINTER (10) um die Erhellung der Tatbestände anerkanntermaßen bemüht, so ist sein negatives Urteil durchaus nicht hundertprozentig sicher. Solange aber der Nachweis der Teilnahme oder Nichtteilnahme an der Fahrt nicht erbracht ist, bleibt die Wahrscheinlichkeit und Möglichkeit bestehen, daß er daran teilgenommen hat. In jedem Falle steht fest, daß Martin Behaim sich in der Kenntnis um das für seine Zeit geltende Erdbild ein bemerkenswertes Wissen erworben hat, das seinen Niederschlag auf der von ihm verfertigten Globus gefunden hat. Und damit kommen wir, wie bereits oben gesagt wurde, zu demjenigen Lebensabschnitt Behaims, über den wir am besten und vollkommensten orientiert sind.
Martin Behaim trifft im Jahre 1491 von der Azoreninsel Fayal, wo er nach seiner Heirat ansässig wurde, über Lissabon und Antwerpen kommend, in Nürnberg ein. Den Anstoß zu dieser Reise gab der Tod seiner Mutter 1489. Mit dem Heimgang beider Eltern war die Erbschaftsregelung notwendig geworden. Sein Aufenthalt dauerte nachweislich bis 1493. Als Jahr der Beendigung der Arbeit am Globus wird in einer ausführlichen Legende 1492 angegeben, so daß für die Herstellung wenig mehr als ein Jahr in Frage kommt. Ohne Zweifel findet er bei seiner Arbeit Hilfe und Unterstützung. Nürnberg ist wegen seiner fortgeschrittenen Globustechnik wohl bekannt. Für die künstlerische Ausstattung findet er in Georg Glockendon, dem Meister der Kleinmalkunst, einen hervorragenden Mitarbeiter. Aber dennoch bedeutet es für ihn etwas Gewaltiges und Anerkennenswertes an Arbeit, daß er in dieser kurzen Zeitspanne sein Werk vollendet hat. Die noch heute im Nürnberger Stadtarchiv vorhandenen und von J. PETZ (11) im Jahre 1886 erstmalig veröffentlichten Rechnungsfaszikel geben uns hinreichend Aufschluß, sowohl über die Art und die Kosten der Herstellung, als auch über die für diese Arbeit entlohnten Mitarbeiter. Neben dem schon genannten Georg Glockendon, der mit den künstlerisch feinen Miniatur- und Wappenbildchen seiner Kunst ein hervorragendes Denkmal gesetzt hat, wird auch der Gewerkmeister Kalperger genannt, den Behaim auf Anforderung des Nürnberger Rates in der Kunst der Globusanfertigung unterwies. Aus der Rechnungslegung wird außerdem bekannt, daß Behaim auch eine Weltkarte hergestellt hat, deren Erdbild auf den Globus übertragen wurde. Die Karte muß als verloren angesehen werden.
Der Globus ruht in einem Metalldreifuß, der nach Angaben von H. KOHLHAUSSEN (12) im Jahre 1510 an Stelle eines früheren Holzgestells angefertigt wurde. Der Kugelumfang, am Äquator gemessen, beträgt 1595 mm. Der Durchmesser somit 507 mm. Daraus ergibt sich ein Maßstab von 1 : 25,200.00. Es ist dies für jene Zeit ein ungemein großer Globus. Die beiden Polpunkte sind durch eine Metallachse verbunden, ein Zeichen dafür, daß man zu Zeiten Behaims von der Drehung der Erde um sich selbst eine feste Vorstellung hatte. Der Meridianring aus Messing ist allerdings nicht von Behaim selbst angebracht worden, sondern wurde, wie aus den Rechnungsangaben zu ersehen ist, auch erst im Jahre 1510 angelegt.
Der Behaim-Globus enthält kein vollständiges Gradnetz. Jedoch zeigt der Äquator eine Gradeinteilung von 360°. Die Wende- und Polarkreise sind eben- [174] falls vorhanden. Außerdem ist auch noch die Ekliptik eingezeichnet. Auf ihr stehen in gleichen Abständen die Tierkreiszeichen in Kreisen mit blauem Hintergrund. Als einziger Meridian ist nur der achtzigste westlich von Lissabon eingetragen.
Der Behaim Globus gehört zu den wenigen und seltenen handgemalten "sprechenden" Globen. Sein Kartenbild enthält eine große Anzahl berichtende und erklärende Legenden. Damit ist der Globus für uns ein kulturhistorisches Dokukument. S. GÜNTHER (13) und E.G. RAVENSTEIN (14) haben seinen geschichtlichen Quellenwert eingehend untersucht und nachgewiesen, daß er für die Gegenwart allerdings nicht mehr die Bedeutung besitzt, die ihm in früheren Zeiten beigemessen wurde. Das Schwergewicht seines Wertes liegt mehr auf der kultur- und kunsthistorischen Seite. Hier stehen noch eine Reihe von Problemen zur Lösung. In erster Linie müßte sowohl eine sorgfältige Untersuchung der Schriftformen, wie auch der Texte erfolgen, um den eigentlichen Urtext, der auf Martin Behaim zurückgeht, festzustellen; denn man kann an einzelnen Stellen deutlich Übermalungen beobachten, unter denen Schriftspuren undeutlich durchschimmern. Es ist dies auch durchaus erklärlich, denn ganz abgesehen von den häufig unfachmännischen Restaurationen wurde der Globus auch noch in Zeiten nach Martin Behaim weiterhin beschriftet, auf Grund von Berichten über besonders wichtige Entdeckungen. Ebenso wurden in den Folgezeiten beschädigte Legenden wieder nachgeschrieben oder aufgefrischt. Daß diese nicht immer den Inhalt der Urschrift wiedergaben, dürfte mit einiger Wahrscheinlichkeit angenommen werden können. Der Globus galt, solange das Interesse an ihm wachblieb, als ein Objekt nicht nur der Belehrung, sondern vielmehr auch der Ergänzung und Fixierung des fortlaufenden Weltgeschehens. Sorgfältige Untersuchungen mit wissenschaftlich fundierten paläographischen Methoden dürften vielleicht manches Rätsel, das uns der Globus noch heute aufgibt, lösen. Notwendig wäre auch eine vergleichende Untersuchung der vorhandenen Faksimile (15) des Behaim Globus, denn ihre Texte sind voller Widersprüche. Weitere Forschungsaufgaben stehen noch insofern zur Lösung, als nicht volle Klarheit darüber herrscht, aus welchen Quellen Martin Behaim schöpft. Als Kind des anbrechenden humanistischen Zeitalters führt er einzelne Quellenwerke an, um seine Belesenheit zu dokumentieren, aber er hat auch Quellen benützt, die er nicht nennt, denn es standen ihm außer portugiesischen Schriften auch zahlreiches Kartenmaterial zur Verfügung, nach dem er den Globus beschriftet hat.
Was die Illustrierung des Globus anlangt, so sind die 111 Miniaturbildchen des Meisters Glockendon von besonderem künstlerischen Wert. Daneben hat er den Globus noch mit 48 Staatsflaggen, davon allein 10 portugiesischen und 15 Wappenzeichen geschmückt. Damit erhält das physische Erdbild seine politisch-geographische Note. Die Tierkreisbilder, zwölf an der Zahl, sind zumeist in roter Farbe aufgetragen und heben sich auf der blauen Konträrfarbe als [175] Hintergrund plastisch gut ab. Der ursprüngliche satte dunkelblaue Farbton der Meere hat sich leider nicht erhalten. Er ist nachgedunkelt und unscheinbar geworden. Selbstverständlich war das Rote Meere seinem Namen entsprechend purpur aufgetragen. Auch diese Farbe ist verblichen. Im Gegensatz dazu tragen die Kontinente und Inseln einen lichtbraunen Farbton, an einzelnen Stellen sind sie rot gezeichnet. Die Waldgebiete sind dunkelgrün, die Gebirge braun und violett. Schnee- und Eisgebiete wurden mit einem feinen Silberton angedeutet. Entsprechend der bildhaften Form werden die Gebirge in der Maulwurfshügelmanier gezeichnet. Die Flüsse tragen ein sattes Preußisch-Blau. Die Schriftzeichen sind unterschiedlich, teils Fraktur, teils Antiqua, sowohl in Blau wie auch in Rot. Gerade hier täte es not, eine textkritische Untersuchung durchzuführen, was von dieser Beschriftung auf das Konto von Martin Behaim und was auf das der Folgezeiten zu setzen wäre. Polar- und Wendekreise sind gelb, ebenso auch die Ekliptik. Der Äquator dagegen zeigt eine rotweiß gewürfelte Linie, die, wie erwähnt, in 360 Grade geteilt ist. Der antarktische Raum war zur Zeit Behaims völlig unbekannt. Das sagenhafte Australland beginnt erst nach ihm die Phantasie der Gelehrten und Forscher durch fast anderthalb Jahrhunderte zu beschäftigen. Behaim füllt die Südkalotte auf dem Globus mit dem Nürnberger Stadtwappen aus und beschriftet sie rundherum mit der überaus wichtigen Legende, die uns über die Veranlassung und Entstehung willkommene Auskunft gibt (16).
Es ist nicht ganz einfach, die vielfach stark verblichenen Bilderdarstellungen zu deuten. Vielleicht am besten sind noch die Miniaturbildchen zu erkennen. Sie sind verschiedenartigsten Inhaltes. E.G. RAVENSTEIN (17) zählt 48, die Könige und exotische Herrscher in Zelten und auf Thronen darstellen. Im vorderasiatischen Gebiet sind es vorwiegend biblische Gestalten. Bei der Stadt Rom sind die beiden Apostel Petrus und Paulus abgebildet. Im übrigen ist Behaim recht sparsam mit biblischen Reminiszenzen, im Gegensatz zu den mittelalterlichen Erdbilddarstellungen. Er vermeidet jegliche Mittelpunktsbeziehung auf Jerusalem oder Ortsbezeichnungen rein religiösen Charakters, wie etwa das Paradies oder den des letzten Gerichtes. Nur der Standort der Arche Noah auf dem Ararat wird bezeichnet, und nur einige wenige Bemerkungen nehmen Bezug auf die Bibel als Quelle. Daß noch Seeschlangen, -löwen, -pferde und -kühe die Meere beleben, darf uns nicht wundernehmen. Wie noch die Gestalt des Teufels als Wirklichkeit in jenen Zeiten empfunden wird, so gilt dies auch von jenen Fabelwesen. Sonst aber werden die Tiere, insbesondere die Landtiere, wenn auch nicht immer am richtigen Ort, so doch in ihrer wahren Gestalt dargestellt. So beleben Elefanten, Löwen, Bären, Straußen, Kamele, Papageien, Schlangen und noch manch anderes Getier die dargestellten Erdräume. Einzelne der Bilder scheinen Bezug zu nehmen auf zeitgenössische oder geschichtliche Tatsachen. Mit einer gewissen [176] Wahrscheinlichkeit darf man wohl die drei Männergestalten im armenischen Bergland als die drei bekannten Weltreisenden der Familie Polo identifizieren. Ist doch Marco Polos Reiseroute in Begleitung seines Vaters und seines Onkels der Weg von Trapezunt durch Armenien nach Ostasien. Die Darstellungen von Schiffen sollen den damals lebhaften Handelsverkehr, sowie die vielfachen Forschungs- und Entdeckungsfahrten veranschaulichen. So wurden die Umkehrpunkte der Forschungsfahrten des Diego Cão und Bartholomäus Dias von der afrikanischen Westküste durch solche Schiffsbilder gekennzeichnet. Siedlungen sind durch Häuser, Türme, Kirchen u.a. dargestellt. Ravenstein hat an die 1100 Ortsnamen auf dem Globus festgestellt. Seltsamerweise ist Behaim im europäischen Raum recht sparsam mit Ortsbezeichnungen. Städte wie Hamburg, Lübeck, Antwerpen, Brügge u.a. sind gar nicht verzeichnet. Das Norddeutsche Tiefland enthält nur Landschaftsbezeichnungen. Möglicherweise ließ die Enge des Raumes eine Häufung der Siedlungsnamen nicht zu.
Wie stellt nun Martin Behaim das Bild der Erde im Geiste seiner Zeit dar und auf welcher Grundlage ist es aufgebaut? Noch ist Amerika nicht entdeckt, aber im Augenblick der Fertigstellung des Globus ist Kolumbus schon unterwegs und vielleicht schon auf einer der westindischen Inseln gelandet. Immer wieder muß betont werden, daß uns der "Erdapfel" das vorkolumbianische Erdbild vermittelt. Ohne Zweifel bildet die Kosmographie des Ptolemäus das Grundgerüst, auf dem sich außer den Ortsbezeichnungen die Umrisse des Erdbildes und die astronomisch-mathematischen Lageberechnungen aufbauen. Wiederholt beruft sich Behaim im Geist des anbrechenden humanistischen Zeitalters in seinen Globuslegenden auf ihn als einen Kronzeugen. Bedeutet doch Ptolemäus für den Zeitraum von Behaim bis Mercator die Hauptquelle für alle Kartendarstellungen. Für Martin Behaim kommt aller Wahrscheinlichkeit nach die Ulmer Ausgabe das Ptolemäus von 1482 in Betracht (18), die 1486 wieder gedruckt, das nach Ptolemäus gezeichnete Erdbild des Dominus Nikolaus Germanus enthält. Auf diese Ausgabe geht die irrtümliche Vorstellung des Indischen Ozeans als ein im Süden von einem Inselkranz abgeschlossenes Binnenmeer auch bei Behaim zurück (19). Der viel weitgreifender sich auswirkende Irrtum des Ptolemäus ist aber seine fehlerhafte Berechnung und Darstellung der westöstlichen Ausdehnung des Mittelländischen Meeres. Dieser Grundirrtum wird folgerichtig auch auf die gesamte West-Ost-Ausdehnung des Erdbildes übertragen, und dies sogar noch in verstärktem Maße, so daß die Entfernung der Ostküste des asiatischen Kontinents von der Westküste Europas als viel zu kurz angenommen wird, und zwar mit nicht mehr als 120°. Diese fehlerhafte Darstellung ist zu Behaims, d.h. also auch zur Zeit des Kolumbus, geläufig. Sie beruht darauf, daß Ptolemäus auf die falsche Erdumfangsberechnung des Poseidonios zurückging und nicht auf die richtigere des Erathostenes. Diesem Irrtum unterlag auch die berühmte Weltkarte des Italieners Toscanelli von 1474, auf die Kolumbus seinen Plan einer Westfahrt nach Indien aufgebaut hatte in der Meinung, er könnte diesen Raum zwischen Europa und Asien in wenig mehr als zehn Tagen [177] bewältigen. Ob Martin Behaim die Toscanellikarte gekannt hat, mag dahingestellt bleiben. Er soll mit Kolumbus in Lissabon in persönlichen Kontakt gekommen sein. Als weitere Quellen werden in der Legende auf der südlichen Polarkalotte und auch noch andernorts Strabo, Plinius und Aristoteles genannt, und damit wird der Inhalt des Globus sozusagen als sakrosanct erklärt.
Das Ptolemäische Weltbild ist aber nur der Ausgangspunkt, gewissermaßen der Grundstock des Behaimschen. Ptolemäus ist in der Hauptsache für Nordeuropa, den Mittelmeerraum und den Vorderen Orient und Nordafrika die maßgebliche Quelle. Inzwischen aber hat sich das Weltbild bedeutend geweitet. Nicht nur, daß die Kreuzzüge Wegbereiter eines aufblühenden europäischen Handels und damit Vorläufer eines sich anbahnenden Welthandels gewesen sind, ist geschichtlich erwiesen, sondern auch die Tatsache, daß ein stets wachsender Handelsstrom immer wieder den Zugang nach dem seit Alexander dem Großen bekannten und doch noch recht sagenhaften Indien und den noch sagenhafteren "dahinter" liegenden Gebieten Chinas (Katai) und Japans (Zipangu) suchte und in einzelnen Fällen dies Ziel auch erreichte. Die Handelswege, die dahin eröffnet wurden, sind zum großen Teil landgebunden, z.B. die Seidenstraße, und gehen durch das Gebirgsland Innerasiens.
Behaim benützt den bekannten Reisebericht des jüngeren Marco Polo, dessen Schrift er so gut kennt, daß er die Angaben daraus ganz korrekt nach den einzelnen Kapiteln macht. Es handelt sich dabei um die lateinische Übersetzung des Francisco Pipino von Bologna vom Jahre 1320. Die Ortsbezeichnungen im ostasiatischen Raum des Behaimschen Globus gehen alle auf diese Quelle zurück. Allerdings verfällt Behaim auch einem für seine Zeit entschuldbaren Irrtum in der Auswahl anderer Quellen. So nennt er auch mehrmals den Ritter Johan de Mandaville. Es handelt sich, wie erst viel später festgestellt wurde, um das Pseudonym des Lütticher Arztes Jean de Bourgogne, der einen Reisebericht aus den damals gangbarsten Itinerarien zusammengeschrieben hat, in dem er neben wenig Richtigem vieles Falsche und Unmögliche erzählt und beschreibt. Das Werk wurde lange Zeit für wahr gehalten bis eine kritische Geschichtsschreibung es als Fälschung erkannte. Neben diesen Quellen nennt Behaim noch einige andere, die auch nicht zuverlässiger sind, aber ein Zeugnis seiner großen Belesenheit ablegen.
Betrachten wir die einzelnen Erdräume auf ihren Inhalt, so stellen wir folgendes fest:
Die Darstellung auf der N o r d p o l k a l o t t e ist ein reines Phantasieprodukt. Eine Anzahl von Inseln sind in durchaus willkürlicher Anordnung um den Pol gruppiert. Irgendwelche Kenntnisse von diesem Gebiet konnten Behaim und seine Zeitgenossen unmöglich haben. Das von den nördlichen Kontinentalküsten umgrenzte Binnenmeer wird als "gefrorenes mer septentrional" bezeichnet. Auf den Inseln sind Berggipfel eingezeichnet, und eine menschliche Gestalt mit Pfeil und Bogen im Anschlag geht einen Eisbär an. Namen wie Island, Grönland, Lappland und "venmarck" (= Finnland?) sind lesbar. Von Island wird in einer Legende berichtet, daß dort ein reiches Volk lebe und dem christlichen Glauben zugehöre, daß dort kein Korn wächst und man sich statt vom Brot von Dörr- und Stockfisch ernähre, der aus diesem Lande auch nach Deutschland gebracht werde, ein Zeichen, daß Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern bestanden. Es entspricht dem kaufmännischen Denken Martin Behaims, daß er immer wieder auf die Handelsbeziehungen der Länder hinweist. Von den Bewohnern Islands wird allerdings auch berichtet, daß sie Hunde verkauften und die Ge- [178] wohnheit hatten, ihre Kinder an fremde Kaufleute wegzugeben, nur damit die anderen genügend Nahrung haben. Einzelne Teile des Polargebietes werden als im Sommer bewohnbar bezeichnet. Über die unterschiedlichen Tageslängen in diesem Gebiet ist man durchaus im Bilde. Entlang des einen eingezeichneten Meridians sind von Norden nach Süden die Tageslängen vermerkt, und zwar von sechs Monaten am Nordpol über fünf, vier, drei, zwei und einem Monat bis zum 24stündigen Tag am Polarkreis. Die staatliche Zugehörigkeit wird mit zwei dänischen Wappenfahnen angegeben. Eine ausführliche Legende, die sich auf Marco Polo beruft, beschreibt Land und Leute in Sibirien und dem mittleren Asien.
Die Umrisse E u r o p a s sind ganz dem damals geltenden Vorbild des Ptolemäus nachgebildet. Augenfällig ist dabei die eigenartig westöstlich verzerrte Lage der Apenninen-Halbinsel, was auf die falschen Berechnungen des Ptolemäus zurückgeht. Die Vorstellung Nordeuropas geht insofern schon über Ptolemäus hinaus, als Skandinavien nicht mehr als Insel verzeichnet wird, sondern mit dem Festland durch eine allerdings sehr schmale Landbrücke verbunden ist und somit in ihrem Halbinselcharakter bereits erkannt zu sein scheint. Diese Art der Darstellung geht auf die Karte des Henricus Martellus Germanus von 1489 zurück, denn beide sind in der Umrißzeichnung einander so ähnlich, daß die Vermutung naheliegt, daß Behaim sie als Vorbild benutzt hat. Die Nordsee trägt die Bezeichnung "englisches mer", die Ostsee "das mer von alemagna". Letzteres deutet darauf hin, daß Behaim die damals viel gebrauchten italienischen Portolankarten als Quelle benutzt hat, da sonst die Bezeichnung für die Ostsee "germanisches" oder "teutsches mer" geläufig war. Der deutsche Küstenverlauf entspricht wenig dem wirklichen Verlauf, die jütische Halbinsel mit Schleswig und Holstein hängt nur durch eine schmale Landenge mit dem Festland zusammen. Als Insel ist nur Gotland verzeichnet. Ob zwei hellere Stellen als Rügen und Bornholm gedeutet werden können, ist nicht mehr festzustellen. Irgendwelche Ortsbezeichnungen sind nicht vorhanden. Das Flußnetz Europas ist recht willkürlich behandelt. Die bedeutendsten Flüsse sind zwar eingezeichnet, aber die Darstellung entbehrt jeder Genauigkeit. Hier gilt eben noch die Ptolemäische Vorlage. Es kommt den damaligen Kartenzeichnern nicht so sehr auf die exakte Ausführung des Kartenbildes - denn so weit gefaßt ist das Wissen um die Erdräume noch nicht - als vielmehr auf die Sache an sich an. Die Darstellung wird damit zum reinen Symbol. Immerhin zeigt z.B. die Rhone bei Lyon den charakteristischen Knick nach Süden, der Rhein dagegen wird ohne jede Knickung in südnördlicher Richtung gezeichnet. Von den deutschen Flüssen sind wohl alle Hauptflüsse vorhanden, aber vielfach verzeichnet. Das östliche Einzugsgebiet der Weichsel wird als ein recht phantasievolles Flußsystem dargestellt, das in nichts der Wirklichkeit entspricht. Nur die Donau zeigt einen annähernd richtigen Lauf. Indes fehlen auch hier markante Stellen, wie etwa im Oberlauf der nördliche Scheitelpunkt bei Regensburg.
Von der Darstellung der Gebirge gilt das gleiche wie von den Flüssen. Auch hier herrscht Ungenauigkeit und Willkür. Man hat noch keine rechte Vorstellung von ihrer Erstreckung. Die Signaturen der Siedlungen werden dem Charakter des "sprechenden" Globus entsprechend in bildhafter Form durch Häuser, Türme, Kirchen u.a. dargestellt. Die Bezeichnungen sind auch im europäischen Raum seltsam regellos. Nur einige der bekanntesten Städte wie Paris, Brünn, Lissabon, Venedig, Rom sind richtig eingezeichnet, bei Stockholm, Bergen, Florenz, Neapel ist es schon weniger der Fall. Seltsamerweise sind manch andere [179] wohlbekannte Städte nicht eingetragen und - selbst die eigene Vaterstadt Behaims sucht man vergebens. Allerdings sind im farbigen Untergrund dunkelfarbige Schriftzeichen vorhanden, die aber selbst mit einem Vergrößerungsglas nicht zu entziffern sind. Es muß auch hier wiederum auf die Notwendigkeit einer genaueren Untersuchung mit modernen Hilfsmitteln hingewiesen werden, da es für mich feststeht, daß ein Teil des Behaim'schen Urtextes durch die wenig fachmännischen Restaurationen überdeckt worden ist. Die vom Behaim-Globus hergestellten Faksimiles sind hiefür in keiner Weise maßgebend, denn selbst das Ravenstein'sche weist Irrtümer auf.
Ähnlich wie Europa leidet auch die Darstellung A s i e n s noch an vielen Ungenauigkeiten und zahlreichen Willkürlichkeiten. Auffallend ist, wie schon gesagt, die Darstellung des Indischen Ozeans als mare clausum, das im Süden durch eine Reihe von Inseln, darunter Madagaskar und Zansibar, abgeschlossen wird. Die arabische Halbinsel schiebt sich mit einem Vorsprung nach Osten hin, die hinterindische mit der Halbinsel "Coylur" nach Westen vor. Indien in seiner charakteristischen Form der nach Süden zu spitz verlaufenden Halbinsel ist noch nicht annähernd erkannt, wurde es doch erst sechs Jahre später erreicht. Man verläßt sich auf die ptolemäische Darstellung der Länder und stattet sie im übrigen mit dem aus, was Marco Polo über sie berichtet hat. Das ist vor allem bei den Gebieten der Fall, die als Murfiili, Lar und Moabarr bezeichnet werden. Aber auch hier unterliegt Behaim einem Irrtum, insoferne, als er sie in den hinterindischen Raum verlagert, während Marco Polo sie weiter westlich, an die Südostküste Vorderindiens ansetzt (20). Die Zweiteilung des Indischen Ozeans ist mit einem westlichen "mare Indicum" und einem östlichen "oceanus Indicus" angedeutet. Diese Gliederung wird noch durch die dem Festland vorgelagerte Insel "Taprobana" (= Ceylon) (21) unterstrichen. Im heutigen birmanischen Raum zeigt der Globus das sagenhafte Land und Meer des ebenso sagenhaften "großen kaiserpristers Johan aus India". Diesen Priesterkaiser und sein Reich hielt man zu Behaims Zeiten noch für eine geschichtliche Realität.
Die Darstellung Ostasiens und der Pazifischen Inselwelt, für die ausschließlich Marco Polo als Quelle dient, läßt der gestaltenden Phantasie Behaims Tür und Tor offen. Die Landbezeichnung "India" wird auch noch weiter östlich im heutigen Südchina angewandt. Nordwärts davon schließen sich Landbezeichnungen an wie "thebet, ein konikreich", womit Tibet gemeint ist, und schließlich das sagenhafte "Cathaja" Marco Polos, das heutige China. Die Darstellung der malaischen Inselwelt ist auf dem Behaim'schen Globus, wie anders nicht zu erwarten, durchaus hypothetischer Natur. Der Halbinsel Coylur ist im Osten die große Insel "Seilan" vorgelagert. Hier ist Behaim das Mißgeschick zugestoßen, daß er die Insel Ceylon - s.o. Taprobana - nach Marco Polos Bericht von Zeilan noch einmal einzeichnete, und zwar nun in gänzlich falscher Ortslage. Weiter nach Osten folgen die Inseln "pentan" und "Java minor", dann "Neucorani", "Java major", "Angama" und "Candyn". Gemeint sind damit die Inseln Bintang am östlichen Ausgang der Straße von Malakka, ferner Sumatra, die Nikobaren, Java und die Andamanen (22). Der nach Norden anschließende Raum soll nach Marco Polo mehr als 12.700 bewohnte Inseln aufweisen. Infolgedessen hat Behaim eine Unzahl umbenannter Inseln eingezeichnet. Nur drei Namen sind angeführt, "argire", "Crisis" und "thilis", die auf Isidor von Sevilla als Quelle [180] zurückgehen. Innerhalb dieses Inselgewirrs liegt Zipangu, nach Marco Polo das heutige Japan. Allerdings ist es viel zu weit vom asiatischen Festland ostwärts gerückt, wodurch der zwischen dieser Insel und Europa liegende Meeresraum unverhältnismäßig stark verkürzt wird.
Die Innenarchitektur des asiatischen Kontinents ist notwendigerweise eine Mischung von Dichtung und Wahrheit. Vorderasien ist als gebirgiges Land dargestellt. Auch die zentralasiatische Gebirgswelt ist auf dem Globus vorhanden, allerdings in schematisierten Formen, die auf Ptolemäus zurückgehen. Der Himalaja wird als "jarmoos das gebirg" oder auch als "jrmaes das gebirg" bezeichnet und wird als langer westöstlich gerichteter Gebirgszug dargestellt. Alle übrigen Gebirge sind absolut willkürlich eingezeichnet. Das gleiche ist auch bei den Flüssen der Fall, was sich schon daraus erklärt, daß das Festland und der gesamte indische Küstenverlauf falsch sind. Damit werden alle Flüsse als viel zu kurze Küstenflüsse verzeichnet. Das ist der Fall beim Indus sowohl wie auch beim Ganges. Ein mit "bramah" benannter Fluß in Hinterindien mag wohl als Brahmaputra gedeutet werden können.
Das Siedlungsbild ist wieder symbolhaft. Weiße Stadttore mit roten Dächern deuten die Orte an. Je nach ihrer Größe werden sie mit zwei bis vier Toren versehen. Das Schriftbild wechselt zwischen Einzelnamen und erläuternden Legenden. Neben rein topographisch-historischen Mitteilungen, wie etwa derjenigen, welche auf Alexander den Großen Bezug nehmen, stehen auch zahlreiche sachliche Angaben über die Landesprodukte. Eine besondere Rolle spielen die märchenhaft ausgeschmückten und von allen europäischen Machthabern so heiß erwünschten Gewürzinseln. Die ganze Sehnsucht der menschlichen Phantasie nach Gold und Edelsteinen, nach den vielbegehrten und seltenen Gewürzen spiegelt sich in den Legenden wieder. Eine davon, nach zwölf Punkten geordnet, gibt den genauen Handelsweg an, den die Spezereien von den Gewürzinseln über die Insel St. Thomas nach Venedig nehmen und von da nach Deutschland, Frankreich und England, und endlich in die Hände der Bremer Kaufleute zu gelangen. Behaim, der Kaufmann, weist auf den Zoll und die damit erfolgte Verteuerung der Ware vom Gestehungsort bis zum Verbraucher hin. Auch auf die Mißernten in Indien nimmt er Bezug. Abschließend beruft er sich für seine Angaben auf den Meister Bartholomäus aus Florenz, der diese Tatsachen dem Papst Eugen IV. in Venedig im Jahre 1424 berichtet hatte. Es wird daraus der alte Überlandhandelsweg mit Venedig als Umschlagsort für die Waren, die nach Deutschland gingen, sichtbar.
Die Umrisse A f r i k a s sind verhältnismäßig richtig. Selbstverständlich tragen sie, wie damals kaum anders möglich, das ptolemäische Gesicht. Aber die inzwischen bekannt gewordenen Gebiete, vor allem die Westküste, sind verbessert und mit zahlreichen neuen Namensbezeichnungen versehen, die Behaim ohne Zweifel dem ihm zur Verfügung gestandenen Kartenmaterial entnahm. Die Westküste ist seit den Zeiten Heinrichs des Seefahrers intensiv befahren und erforscht worden. Immer wieder stieß jede neue Expedition über die vorangegangene ein Stück hinaus. Zur Zeit Behaims ist die Südspitze bereits erreicht. Man kann unschwer die Fortschritte der Portugiesen an der afrikanischen Westküste am Behaim-Globus ablesen, da diese von Namen strotzt, während die Ostküste noch wenig erforscht und infolgedessen fast leer erscheint. Auch ihr Verlauf ist nicht richtig dargestellt. Hinzuweisen ist auf die halbinselartige Osterstreckung der afrikanischen Südspitze und die falsche Plazierung der Inseln Madagaskar und Zansibar.
[181]
An der Westküste Afrikas ist auch jene Stelle, die Behaim mit einer ausführlichen Legende versieht, aus der wir Einzelheiten über die Forschungsfahrt des Diego Cão erfahren und an der er möglicherweise teilgenommen hat. Stelle der Umkehr versieht er mit einer portugiesisehen Wappenfahne zu Lande und einer nordwärts segelnden Karawelle auf dem Meere (23).
Die Fehler und Verzeichnungen im Küstenverlauf an der südlichen Westküste Afrikas brauchen keineswegs auf mangelhafte Fähigkeiten Behaims zurückgeführt zu werden, schon gar nicht die scharfe Umbiegung nach Osten an dem viel zu weit südlich gesetzten Kap Negro. Für die Umrißzeichnung ist die ptolemäische Vorlage maßgebend und verantwortlich. An ihr etwas zu ändern, wäre für jene Zeit ein unerhörtes Wagnis gewesen. Wissen wir doch daß noch Mercator das zu tun nur dann wagte, wenn der Irrtum durch die Erfahrung nachgewiesen ward. Erst mit dem im 18. Jhdt. aufkommenden naturwissenschaftlichen Denken wurde die Autorität des Ptolemäus überwunden.
Die Darstellung Innerafrikas ist bei Behaim durchaus dem ptolemäischen Vorbilde angeglichen. Das Gleiche gilt auch von der Nordküste wie ja auch den gesamten vorderasiatischen Raum. Es würde den Rahmen dieser Arbeit weit überschreiten, wollten wir Einzelheiten aus diesen Gebieten beschreiben. Nur über die Inselwelt des Atlantischen Ozeans seien uns noch ein paar kurze Bemerkungen gestattet. Abgesehen von den Azoren und Kapverdischen Inseln für deren Ortsbestimmung ihm ausreichendes portugiesisches Quellenmaterial zur Verfügung stand, so daß sie verhältnismäßig richtig eingetragen und dargestellt sind, sind alle anderen Darstellungen reine Phantasieprodukte, die sich auch noch auf einigen Globen und Karten der Zeit nach Behaim finden. Man geht nicht fehl in der Annahme, daß all diese benannten und doch gar nicht vorhandenen Inseln im Atlantik legendäres und sagenhaftes Gemeingut der damaligen und auch noch nachfolgenden Kosmographien gewesen sind und so lange waren, bis man ihr Nichtvorhandensein festgestellt hatte. Wir nennen nur die drei hauptsächlichsten: Die Insel "Brasil", verhältnismäßig dicht an [182] Irland gerückt, die Insel des heiligen Brandan, der dort im Jahre 565 n.Ch. gelandet und sieben Jahre verweilt haben soll und schließlich die Inseln "antilia". Die Bezeichnung "brazil" ist für die Folgezeit an dem entdeckten südamerikanischen Festland hängen geblieben; "antilia" ist als Name heute in der bekannten mittelamerikanischen Inselgruppe verewigt. Aus "antila insula" schloß man vielfach, daß Martin Behaim der Wegweiser für Columbus gewesen sei. Jedoch ist dieser Inselname schon auf früheren Karten zu finden, wie etwa auf der vom Jahre 1424, die sich heute noch in der Weimarer Bibliothek befindet. Ohne Zweifel glaubte man an das Vorhandensein dieser Inseln, eine Annahme, die der Möglichkeit einer Überquerung des Ozeans in westlicher Richtung Vorschub leistete.
In der Azorengruppe ist auch die Insel Fayal verzeichnet und als Neuflandern benannt. Diesen Namen erhielt sie deshalb, weil dort eine flandrische Kolonie unter Leitung eines gewissen Jobst Huerter entstanden war. Behaim war durch die Heirat mit Johanna Huerter (d'Utra) 1486 Schwiegersohn dieses als Generalgouverneur fungierenden Flamen geworden. Fayal wurde nunmehr zu seinem ständigen Wohnsitz, wohin er sich in seinen letzten Jahren nach einer mißglückten diplomatischen Mission vergrämt und enttäuscht zurückgezogen hatte und bis zum Jahre 1506 noch gelebt hat. Nach einer Reise nach Lissabon stirbt er dort im selben Jahre am 29. Juli, vermutlich an der Pest, die gerade in der Stadt herrschte. Eine nachgetragene Legende auf seinem Globus gibt uns davon Kunde. In Portugal hatte man ihn vergessen und als politisch nunmehr in Ungnade befindlich wenig mehr seiner gedacht. Dies mag, wie H. Kohlhaussen bemerkt, für ausländische Forscher Anlaß genug gewesen sein, ihn als Dilettanten abzustempeln. Daß wir Deutsche keinen Grund dazu haben, beweist allein schon sein Globus, der seinen Namen in der Geschichte der Geographie unsterblich gemacht hat.
Anmerkungen
(1) Das Geschlecht der Behaims stammt ursprünglich aus Böhmen, wo es in der Nähe von Pilsen im 10. Jhdt. in Schwarzbach ansässig war, weshalb sie sich auch Behaim von Schwarzbach nennen. Zur Zeit Martin Behaims Geburt, die sein Biograph Ghillany auf Grund der spärlich vorhandenen Urkunden mit dem Jahre 1459 ermittelt, gehören die Behaims seit Jahrhunderten dem Patriziat der Stadt Nürnberg an.
(2) GHILLANY, F.W., Geschichte des Seefahrers Ritter Martin Behaim. Nürnberg 1853.
(3) RAVENSTEIN, E.G., Martin Behaim, his life and bis globe, London 1908.
(4) KOHLHAUSSEN, H., Der Erdapfel Martin Behaims vom Jahre 1492, in: Atlantis, Leipzig und Zürich, X. 1938. S. 114-117.
(5) In seinem Lustspiel "Die Wolken" verspottet Aristophanes mit beißendem Spott alle diejenigen, die da behaupten, die Erde sei eine Kugel, was doch offensichtlich gegen den gesunden Menschenverstand stünde.
(6) Von den vorkolumbischen Globen ist nur noch der Laonglobus bekannt, so benannt nach der Stadt Laon, wo er 1860 von M.L. Leroux in einem Trödelladen gefunden wurde. In Paris soll er wieder verloren gegangen sein. Er trug das sehr umstrittene Datum 1493 und ist ein Metallglobus aus vergoldetem Kupfer gewesen. Vermutlich gehörte er einem astronomischen Uhrwerk an, da sein Durchmesser nur 170 mm betrug.
(7) UHDEN, R., Der Behaimsche Erdapfel und die Nürnberger Globustechnik. In: Comptes Rendus du Congrès International de Géographie, Amsterdam 1938, II, 4, S. 202f.
(8) WINTER, H., In seiner Besprechung meiner Arbeit über den Behaim-Globus in der Deutschen Literaturzeitung 69. Jahrg. 1948, Juni/1948, Heft 6, S.291-335.
(9) JAQUES, N., Die Karte auf der Kugel. W. Limpert Verlag 1942, S. 41.
(10) WINTER, H., a.a.0.
(11) PETZ, J., in "Mitteilung des Vereins für die Geschichte der Stadt Nürnberg", Heft VI, 1886.
(12) KOHLHAUSSEN, H., a.a.0.
(13) GÜNTHER, S., Martin Behaim, Bamberg 1890.
(14) RAVENSTEIN, E.G., a.a.0.
(15) Seit Beginn des 19. Jhdts. ist der Behaim-Globus mehrfach nachgebildet worden, und zwar 1847 von E.F. Jomard für die Bibliothèque Nationale zu Paris. Nach dieser Kopie wurde 1892 eine weitere für die Weltausstellung in Chicago hergestellt. Eine dritte Nachbildung erfolgte 1892 im Auftrag der portugiesischen Kommission für die Vierhundertjahrfeier der Entdeckung Amerikas. Die bisher vierte und letzte Reproduktion hat der Columbus Verlag in Berlin im Jahre 1943/44 hergestellt, von der man im Gegensatz zu allen anderen vorangegangenen Nachbildungen behaupten kann, daß sie die zuverlässigste ist. Außerdem sind 6 Faksimiles in plano vorhanden. 1770 zeichnete J.G. Doppelmayr eins. Als sogenannte genaue Kopie bezeichnet Ch.G. Murr das von ihm hergestellte Faksimile, das allerdings nicht vollständig ist. 1853 hatten F.W. Ghillany und 1854 E.F. Jomard je eins angefertigt und 1908 fertigte E.G. Ravenstein seiner Biographie eins bei. Alle diese Falsimiles zeigen in ihrer Darstellung erhebliche Verschiedenheiten. Jedenfalls kann keine von ihnen als wirklich zuverlässige Wiedergabe bewertet werden.
(16) Wortlaut der Legende, "Aus furbitt (und) beger der fürsichtigen erbern und weisen als der obersten Haubtleut der löblichen Reichstat Nürnberg die dann zu diesen Zeiten geRegiert haben Mit namen Hern Gabriel Nutzel Her Paulus folckmen Und Hern Niclass Grola (ndt) ist dise Figur des Appfels gebracktizirt (und?) gemacht worden aus kunstangebung und ubung durch den gestrengen und erbarn Hern Martin peheim Ritter der sich dann in dieser Kunstt kosmografia vil erfarn hat Und bey einen drittel der welt umbfarn(.) Solchs a(lle)s m(it fl)eiss aus(gezo)gen aus den Pächtern tholomei pliny straboni und marcko polo und also zusammen gefücht alles Meer und ertrich yttliches nach seiner gestalt und furmt(.) Solches alles dem erbern george Holzschuer von Ratswegen durch die gemelt(en) (Hauptleut?) befollen worden ist darzuer dan geraten und geholfen hat Mit moglichem fleys(.) Solche Kunst und appfel ist gepracktizirt und gemacht worden Nach cristi gepurt 1492 jar der dan durch den gedachten Her: Martin peheim gemei (.... ) nürnberg zu ern und letz hinter in gelassen hat Sein (in?) allen zeite in gut zu gedenke Nach de er von HpnA? wider heim wendet zu seinem gemahl(?) das dan ob 700 Meil von him ist da er haus helt und sein tag in seiner Inselzu (besc) hleissen do er daheim ist"
(17) RAVENSTEIN, E.G., a.a.0., S. 59.
(18) RAVENSTEIN, E.G., a.a.0., S. 62.
(19) In einer mit R.A.S. gezeichneten Besprechung meiner Schrift "Der Erdapfel des Martin Behaim" Ibero-Amerikanisches Archiv, Berlin 1943, in dem von der Royal Geographial Society in London herausgegebenen Geographical Journal wird mir diese Behauptung als Irrtum angekreidet. Es handelt sich aber bei diesem Passus doch nur um eine unterschiedliche Auffassung des Begriffes Binnenmeer. Der Kritiker erkennt als Binnenmeer nur ein von allen Seiten von Land eingeschlossenes Meer. Meinem Begriff liegt aber auch die Art von Binnenmeer zugrunde, wie wir sie im Mittelländischen Meer oder im Golf von Mexiko und dem Caribischen Meer vor uns haben. Um jeden Irrtum zu vermeiden, habe ich hier eine genauere Formulierung gegeben.
(20) POLO MARCO, Die Reisen des Venzianers Marco im 13. Jahrhundert. Bearbeitet und herausgegeben von Hans Lemke, Hamburg 1908.
(21) Bereits bei Kosmas Indicopleustes so benannt.
(22) Vgl. die Fußnoten von HANS LEMKE in Polo, Marco a.a.0. Seite 434f., 446f.
(23) WINTER, H. (a.a.0.) kommt zu dem Schluß, daß Behaim weder ein erfahrener Seefahrer gewesen sei, dessen er sich rühmte, noch an der Fahrt des Diego Cão teilgenommen habe. Letzteres muß jedoch, wie erwähnt, unentschieden bleiben. In der von mir im vollen Wortlaut zitierten Legende des Globus wird Behaim als viel erfahren in der Kosmographie und als ein Mann der "by einem drittel der Welt umbfarn" hat, bezeichnet. Ich sehe keine Veranlassung, diese Anerkennung zu bezweifeln. Die weitläufigen Legenden Behaims auf seinem Globus verraten ein bedeutendes Wissen. H. WINTER neigt m.E. dazu, positive Äußerungen über Behaim abzuschwächen. Er will es auch nicht gelten lassen, daß Behaim Regiomontanus zum Lehrer gehabt hat. Es habe sich vermutlich nur um eine zufällige und wenig nachhaltige Begegnung gehandelt. M.E. bliebe dann die Frage offen, woher Behaim sich das für seine Zeit umfangreiche Wissen auf mathematischem und nautischem Gebiet verschafft hat. Auch seine Belesenheit ist erstaunlich und geht über ein durchschnittliches Maß weit hinaus. Es ist kaum anzunehmen, daß er auf Grund seiner kaufmännischen Qualitäten allein in Lissabon zum Ritter geschlagen wurde. In der von R. STAUBER ("Die Schedelsche Bibliothek, Freiburg 1908") gefundenen und veröffentlichte Schedelschen Bibliothek wird uns berichtet, mit welch bedeutendem Interesse Behaims Freunde die Vollendung seines Globus, der als sein ausschließliches Werk zu werten ist, begleitet haben. Warum H. WINTER die Schedelsche Chronik nicht gelten läßt, bleibt unerfindlich. Daß portugiesische Quellen über Behaim schweigen, ist durchaus erklärlich. Abgesehen davon, daß Mißgunst gegenüber dem fremden Eindringling am portugiesischen Hof eine Rolle gespielt haben mag ist festzustellen, daß alle Fragen der Nautik und die Ergebnisse von Forschungsfahrten damals Staatsgeheimnisse waren. Noch zu Zeiten Cooks, also im 18. Jhdt., wird um eine geplante Expedition ein undurchdringlicher Schleier gewoben; denn man war bestrebt, Konkurrenten im Welthandel nichts zu verraten. Diese Konkurrenz war zu Zeiten Behaims durch Spanien gegeben. Es ist auch bekannt, daß die Mitglieder des Geheimen Rates, dem Behaim angehörte, zu unbedingtem Schweigen verpflichtet waren. Ob die unbefriedigenden Ergebnisse Diego Cãos Behaims Stellung am Hofe schließlich erschüttert haben, darüber schweigen die Quellen. Nach seiner letzten Reise nach Nürnberg und seiner Rückkehr nach Lissabon bzw. Fayal, wird er nochmals zu einer diplomatischen Mission verwendet, die unglücklich verläuft und deren Scheitern sein späteres, wenig erfreuliches Schicksal wohl verschuldet hat. Martin Behaim ist eine anerkannte historische Persönlichkeit, die allerdings infolge mangelhafter Quellennachweise in einem gewissen Zwielicht und etwas abenteuerlich umwittert erscheint. Ihn aber als politischen und wissenschaftlichen Hochstapler anzusehen, dafür liegt kein Grund vor. Gewiß ist vieles Kombination, auf die jedoch keine Forschung verzichten kann, wenn die Quellen gar so kärglich fließen.