In: Bott, G.; Willers, J. (Hrsgb.): Focus Behaim-Globus. Referate des internationalen Kolloquiums im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg - 5.4.-6.4.1990, Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Nürnberg, April 1991.
Drei Aspekte weisen auf einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Herstellung des (oder anders gesagt: eines) Globus hin und ein vierter bringt zusätzlich einen Bezug zu Nürnberg:
Ptolemaios geht in seiner theoretischen Abhandlung davon aus, daß die Erde eine Kugel ist.
Dem Werk wurde - aus der handschriftlichen Überlieferung zu schließen - bereits vor der Entstehung des Globus eine Weltkarte beigefügt, die die Vorstellung einer Kugelfläche vermittelt.(3)
Rasch nach der Erfindung der Druckkunst erscheinen in den 70er und 80er Jahren des 15. Jahrhunderts mehrere Ausgaben. Sie belegen ein starkes Interesse an dem Werk bereits in diesen Jahrzehnten.
Zwei Ausgaben erscheinen in Nürnberg:
- 1490 eine deutsche Bearbeitung des Textes der "Geographia"; diese Ausgabe enthält den "ältesten östlichen Planiglobus".
- 1525 eine von Willibald Pirckheimer besorgte Ausgabe.
Bevor auf diese 4 Punkte näher eingegangen wird, scheint es angebracht, Autor und Werk kurz vorzustellen: Der Autor des zu betrachtenden Werkes ist Klaudios Ptolemaios, der im 2. Jh. n. Chr. in Alexandria lebende Mathematiker und Astronom (gest. 178 n. Chr.). Die ursprüngliche Bezeichnung des Werkes lautet "Geographike Hyphegesis" (Anleitung zum Zeichnen von Erd(karten)), die Druckausgaben dagegen erscheinen überwiegend unter dem Titel: "Cosmographia". Sowohl in der handschriftlichen Überlieferung wie auch in den Drucken ist zu erkennen, daß die jeweiligen Herausgeber darauf bedacht waren, inzwischen gewonnene neue Erkenntnisse durch Bearbeitung und Erweiterung von Texten und Karten einzufügen: jede dieser Ausgaben entfernt sich also nicht unerheblich vom Original, das uns - freilich auch schon nicht ohne Veränderungen - in den Handschriften begegnet. In den Drucken wurde aus der vom Autor beabsichtigten Anleitung zur kartographischen Erddarstellung ein mehr oder minder umfangreicher Atlas.
Ptolemaios bot in insgesamt 8 Teilen (Büchern) seiner Abhandlung
- die theoretischen Grundlagen der Kartenprojektion (Teil 1)
- in 6 weiteren die Koordinaten von circa 8000 Orten und
- im 8. Buch Erklärungen zu den beigefügten Karten.
Er hat in diesem Werk Beobachtungen und Wissen seiner Vorgänger Apollonius von Perge, Eratosthenes, Poseidonios und Hipparch systematisch zusammengefaßt.
Über die Anfänge der Tradierung liegen noch keine detaillierten Darstellungen vor, da sie sich im byzantinischen Raum abspielen und von dort das Werk erst um 1400 durch byzantinische Gelehrte nach Italien gebracht wurde. Allgemein bekannt ist lediglich eine Bearbeitung durch Muhammad ibn Musa al-Huwarizmi mit dem Titel" Kitab Surat al-ard" (Buch über die Gestalt der Erde), das dieser um 840 n. Chr. verfaßte. (4) Die erste lateinische Übersetzung des griechischen Textes fertigte um 1406/1408 Iacopo d' Angelo da Scarpia auf Grundlage eines von Manuel Chrysoloras angefangenen Übersetzungsversuchs (5) an.
Bekannt (6) sind neben zahlreichen handschriftlichen griechischen Textüberlieferungen 49 lateinische Handschriften, deren Entstehungszeit im wesentlichen dem ausgehenden 15. Jahrhundert (also der Zeit nach Erfindung des Buchdrucks) angehört. Das durch diese Zahlen dokumentierte rege Interesse an Ptolemaios' Leistung leitet über zu dem schon angedeuteten Interesse des jungen Druckgewerbes an ihm, dem das Hauptaugenmerk dieser Abhandlung gewidmet ist.
Der wohl früheste Nachweis der Planung eines derartigen Projektes geht auf Regiomontanus zurück, der in seiner um 1473/4 erschienen Verlagsanzeige eine neue Übersetzung der "Cosmographia Ptolemei" ankündigt sowie einen umfangreichen Kommentar dazu und weiterhin eine mappa mundi (7). Seine Motivation für ein solches Unternehmen gibt er im Vorwort zu seinem "Dialogus" preis. Dort klagt er über die mangelhafte Übersetzung des Jacobus Angelus [d.i. Jacopo d'Angelo] und, daß nicht einmal mehr ein Schatten des ursprünglichen Werkes vorhanden sei (8). Um diesen Mangel zu beseitigen, plante er die Ausgabe der "Cosmographia", deren Vollendung jedoch durch seinen frühen Tod vereitelt wurde. Eine von Regiomontanus mit zahlreichen Anmerkungen versehene Abschrift der Übersetzung des Jacopo d'Angelo befindet sich noch heute unter der Signatur Nür Cent V 55 in den Beständen der Stadtbibliothek Nürnberg; vermutlich sollte dieses Exemplar Regiomontanus als Vorlage für seine geplante Druckausgabe dienen. Regiomontanus' Interesse an der "Cosmographia" beschränkte sich jedoch nicht auf die bloße Abschrift des Textes. Seine kritischen Anmerkungen zu Fehlern im Text sind uns in einer Handschrift überliefert, die sich heute in der Akademie der Wissenschaften in Leningrad (9) befindet. Der Ausgabe von Pirckheimer sind diese Aufzeichnungen in gedruckter Form vorangestellt.
Die erste gedruckte Ausgabe der "Cosmographia" erschien in Vicenza
bei Hermann Liechtenstein am 13. September 1475
Die erste Ausgabe mit Kupferstichkarten erschien am 23. Juni 1477,
- nicht 1462, wie das Impressum angibt - in Bologna bei dem Drucker
Dominicus de Lapis (Hain 13538) angeblich in einer Auflagenhöhe von
500 Stück
Weit erfolgreicher war jedoch die von Domizio Calderini aus Verona
edierte römische Ausgabe vom Oktober 1478 (HC 13537), die in den
Jahren 1490, 1507 und 1508 (Abb. 1) erneut gedruckt
wurde. Dedikationen an Papst Sixtus besagen, daß Calderini von Konrad
Sweynheym eingeladen wurde, einen verbesserten lateinischen Text der
Cosmographia für den Druck herzustellen. Hier begegnet uns auch wieder
die bereits von Regiomontanus angeführte Problematik "Hoc opus ...
iampridiem in codicibus latinis admodum depravatum, quum ut emendarem,
Conradus Germanus ... olim diligentissime peteret, feci id quidem non
tamen tam libenter quam laboriose." (14) Um eine korrekte Übersetzung erarbeiten zu
können, benutzte Calderini mehrere lateinische Handschriften und eine
griechische. Diese von Calderini angefertigte neue Übersetzung ist
uns vermutlich als Codex Ebnerianus erhalten, der sich lange Zeit in
Besitz des Nürnberger Patriziergeschlechts Ebner befunden hat, sich
jetzt in der Public Library in New York befindet
Abb. 3 Ptolemaeische Weltkarte, Johann Schott, Strassburg 1513.
Universitätsbibliothek, Erlangen
Konrad Sweynheym hatte vermutlich bereits 1473 in Verbindung mit bedeutenden Mathematikern, wie uns das Vorwort verrät, an der Vorbereitung der Kupferstichkarten zu dieser "Cosmographia" gearbeitet; nach seinem Tod wurde das Werk von seinem Landsmann Arnold Buckinck unter Inanspruchnahme der wissenschaftlichen Beratung von Nikolaus Germanus zu Ende geführt
Eine Ausgabe der "Cosmographia", die erhebliche Veränderungen gegenüber den bisherigen Drucken aufweist, ist jene vermutlich vor 1482 erschienene "Geographia" des Florentiners Francesco Berlinghieri (GW 3870) (Abb. 2). Es handelt sich hierbei um eine in italienischen Terzinen abgefaßte Bearbeitung des Ptolemaios-Textes. Besonders auffallend ist die erstmalige Abweichung von den bis dahin üblichen Darstellungen der Erde, in denen die Längenkreise entweder nicht oder als Geraden dargestellt wurden. Um dem Leser die Kugelform der Erde besser vor Augen zu führen, ging man nun dazu über, diese Gestalt mit Hilfe von gebogenen Meridianen zu verdeutlichen.
Abb. 4 Ptolemaeische Weltkarte, Johann Grueninger,
Strassburg 1522.
Universitätsbibliothek, Erlangen
Die "Weltkarte" der Erstausgabe in Deutschland, die am 16.7.1482 in Ulm bei Lienhart Holl erschien, ähnelt der eben erwähnten Karte der Berlinghieri-Ausgabe sehr stark, jedoch handelt es sich hierbei nicht wie bei der italienischen Version um einen Kupferstich, sondern um einen Holzschnitt, von dem - wie Skelton angibt (16) - 2 Varianten existieren. Auf der wohl späteren Ausführung wird uns Johannes (Schnitzer) aus Armsheim als ihr Formschneider genannt. Als Text liegt dieser Ausgabe eine Überarbeitung der lateinischen Übersetzung von Jacopo d'Angelo durch Nikolaus Germanus zugrunde. Die Handschrift, die sich heute in der Fürstlichen Bibliothek auf Schloss Wolfegg befindet, enthält ebenfalls schon die gebogenen Meridiane, weshalb eine Entscheidung, ob diese Form der Darstellung zuerst in Italien oder Deutschland realisiert wurde, nicht zu beantworten ist, bevor nicht die "Weltkarten" weiterer Handschriften daraufhin geprüft worden sind.
Abb. 5 Ptolemaeische Weltkarte, Johann Reger, Ulm 1486.
Germanisches Nationalmuseum, Nuernberg
Für die Darstellung der Erde als Kugel sowie für die Rezeption der "Cosmographie" in Nürnberg ist es wesentlich, darauf hinzuweisen, daß zwischen 1495 und 1500 - wie Walther Matthey (17) vermutet - bei Georg Stuchs in Nürnberg, Johann Pfeil in Bamberg oder eventuell in Johann Schöners Hausdruckerei in Kirchehrenbach eine in deutscher Sprache verfaßte "Cosmographia" gedruckt wurde, die erstmalig eine die gesamte östliche Halbkugel darstellende Weltkarte enthält. Bei diesem von einem bislang unbekannten Autor verfaßten Text handelt es sich nicht, auch wenn es das lateinische Vorwort behauptet - um eine Übersetzung von Ptolemaios' Werk, sondern um eine in Anlehnung an dessen Ausführungen hergestellte eigenständige Arbeit.
Zahlreiche Entdeckungsfahrten und die Entdeckung Amerikas führten in der Folgezeit zu neuen Erkenntnissen, die sich auch in den "Weltkarten" der Cosmographie-Ausgaben niederschlugen und ihre Hersteller zu weiteren Varianten in der Formgebung anregten; die Ausgaben Rom 1507 und 1508 (Abb. 1) wie auch Venedig 1511 repräsentieren diese Veränderungen. Daß man sich in Deutschland - und hier nur in Straßburg - auch langsam neueren Darstellungen zuwandte, ist vielleicht in Verbindung zu sehen mit der sich gleichzeitig entwickelnden Reformation, deren Auswirkungen auf die "Naturwissenschaft" der damaligen Zeit mir bisher in zu geringem Maße berücksichtigt zu sein scheinen. Mindestens drei verschiedene Ausgaben der "Cosmographie" erschienen in Straßburg zwischen 1513 und 1522 bei den Druckern Schott und Grüninger (18) (Abb. 3 und 4).
Es würde zu weit führen, im einzelnen alle diese vor der Edition von Pirckheimer erschienen Ausgaben zu besprechen, da sie im Hinblick auf unsere Problematik keine wesentlichen Neuerungen beitragen, doch bleibt festzuhalten, daß man seit dieser Zeit auch griechische Ortsbezeichnungen in die gedruckten Texte mit aufnimmt. Der griechische Originaltext wurde erst im Jahre 1533 gedruckt, Herausgeber war Erasmus von Rotterdam (19).
Nicht verschwiegen werden soll, daß das geistige Interesse an Ptolemaios bei den Buchdruckern erhebliche Absatzerwartungen erweckte; die rasch nacheinander erscheinenden Ausgaben stehen dafür ebenso wie die oft nicht unerhebliche Auflagenhöhe. Sweynheym und Lapis sollen je 500 Exemplare gedruckt haben; die heute noch zahlreich erhaltenen Exemplare anderer Ausgaben lassen diese Behauptung als wahrscheinlich erscheinen. Enttäuschung über wirtschaftliche Schwierigkeiten konnten nicht ausbleiben. Für Lienhart Holl bedeutete sein "Cosmographie"-Druck den Ruin, was jedoch den in Ulm ansässigen Venezianer Justus de Albano nicht daran hinderte, Holls Materialien aufzukaufen und durch Johann Reger 1486 erneut eine Ausgabe herauszubringen zu lassen (Abb. 5).
Abschließend soll noch die ebenfalls in Straßburg erschienene, von Willibald Pirckheimer besorgte Edition kurz gewürdigt werden, da sie uns wiederum in den Nürnberger Humanistenkreis führt, der sich um die Jahrhundertwende in Nürnberg in so außerordentlicher Weise um die Weiterentwicklung der Wissenschaft bemüht hat.
Pirckheimers lateinische Übersetzung der "Geographikae Hyphegesis" des Klaudios Ptolemaios erschien 1525 in Straßburg in einem 179 Blatt umfassenden Folioband mit dem Titel (20): CLAVDII PTO//LEMAEI GEO//GRAPHICAE // ENARRATIONES // LIBRI OCTO // BILIBALDO PIRCKEYM//HERO INTERPRETE // Annotationes IOANNIS DE REGIO MONTE // in errores commissos a // IACOBO ANGELO // in translatione sua.
Das Impressum lautet: "Argentoragi, Iohannes Grieningerus, communibus Iohannis Koberger impensis excudebat. Anno a Christi Natiuitate M.D.XXV. Tertio Kal.' Apriles"
Auf die Auseinandersetzung, die Pirckheimer mit dem Drucker Grüninger, der diese Ausgabe in Zusammenarbeit mit Johannes Koberger besorgte, wegen unsachgemäßen, aber wohl verkaufsfördernden Buchschmucks hatte, einzugehen, ist hier nicht der Ort (21). Doch muß darauf hingewiesen werden, daß diese Ausgabe 14 ungezählte Blätter mit den erwähnten kritischen Anmerkungen des Regiomontanus zur Übersetzung des Iacopo d'Angelo enthält ("Clarissimi aetatis nostrae Mathematici, Ioannis de Monte Regio, fragmenta quaedam annotationum, in errores quos Iacobus Angelus in translatione Ptolemaei commisit"), womit sich der Kreis zu dem anfänglichen Hinweis auf Regiomontans Pläne schließt.
Abb. 7 Ptolemaeische Weltkarter, Johann Grueninger,
Strassburg 1525.
Deutsches Museum, München
Doch bevor abschließende Überlegungen diesen Überblick über einige "Cosmographie"-Editionen in der Frühdruckzeit beenden, sei auch die Rezeption des Textes noch kurz gewürdigt. Wohl jeder Kosmograph und jede kosmographisch interessierte Person der damaligen Zeit studierte diese Schrift des Ptolemaios und ihr Inhalt wurde bereits in Vorlesungen an den Universitäten behandelt. Aus der Beschäftigung mit dem Werk entstanden zahlreiche Einführungen bzw. Kommentare zur "Cosmographia", wie z.B. "Cosmographia dans manuductionem in tabulas Ptolomei" von Laurentius Corvinus (Basel, nicht vor 1496)(22), "Cosmographiae introductio" von Martin Waldseemüller (St. Dié, 1507) (23), "Introductio in Ptolemei cosmographiam" von Johannes Strobnicza (Krakau 1512) (24) sowie Teilübersetzungen bzw. -bearbeitungen des Textes, wie z.B. die Ausgabe des 1. Buches durch Johannes Werner, die bei Stuchs in Nürnberg 1493 gedruckt wurde. Und im Jahre 1515 benutzte Johann Schöner - wie Werner Gley (25) festgestellt hat - als Vorlage zur Herstellung seines Globus, der als erster mit gedruckten Segmentstreifen beklebt ist, die Weltkarte der "Cosmographia"-Ausgabe von 1482.
Was bedeuten unsere Aussagen für den Behaim-Globus? Das intensive
Interesse der Humanisten an der "Cosmographie" und insbesondere ihrer
Vertreter in Nürnberg, voran Regiomontanus, entspringt ihrem Bemühen
möglichst reine Texte der von ihnen ehrfürchtig betrachteten antiken
Autoren erarbeiten zu können. Es schlägt sich nieder im Besitz dieser
Werke in ihren umfangreichen Bibliotheken (26). Wichtige Beigabe eines einwandfreien
Cosmographie-Textes war, was schon deren Handschriften auszeichnet,
zugehöriges Kartenmaterial. Die Druck-Editionen geben dabei der
Abbildung der Weltkarten eine neue Gestalt. Sie stellen sie jetzt als
eine Kugelfläche dar. Den Eindruck verstärken die nun in Bogenform
gezeichneten Längengrade. Die Vorstellung der Erde als Kugel wird
damit kartographisch dokumentiert. Die Zweidimensionalität konnte auf
Dauer nicht befriedigen, daher war es naheliegend eine Ausformung als
Kugel anzustreben. Wo konnte man diese technische Neuerung - also
einen Erdglobus - eher ermöglichen als in Nürnberg, seit langem schon
einem Zentrum der Herstellung wissenschaftlicher Instrumente. Freilich
war die Herstellung eines Globus genau wie etwa der Druck der
Schedelschen Weltchronik ein finanzielles Problem; diesem nachzugehen
aber überschreitet die Grenzen des zu behandelnden Themas.