Die Azoren und der Globus
Charles Verlinden
In: Bott, G.; Willers, J. (Hrsgb.): Focus Behaim-Globus. Referate des
internationalen Kolloquiums im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg
- 5.4.-6.4.1990, Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums,
Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Nürnberg, April 1991.
Inhalt
(a) Einleitung: Azoreninschrift
(b) Fehler der Azoreninschrift
(c) War Behaim auf den Azoren?
(d) Zur Herstellungsweise des Globus
(e) Nürnberger Beteiligte
(f) Nochmals: Behaim auf den Azoren?
(g) Fazit
Anmerkung: Die Originalarbeit enthält keinerlei
Zwischenüberschriften; diese wurden --- unter Erhaltung der
ursprünglichen Absatzstruktur --- zur inhaltlichen Indexierung vom
Bearbeiter eingefügt.
Auf dem berühmten Globus, den das Germanische Nationalmuseum
besitzt, liest man nördlich und südlich von den Azoren
folgende Inschrift:
nach cristi unsers lieben hern gepurt 1431 jar alss regiert in
portugal jnfante don pedro wurden nach notturft zugericht zway schiff
auf 2 Jar gespeisst von den hochgebornen Jnfanten don heinrichen dess
koniks auss portogalli bruder zu erfahren wass do wer hinder sanct
Jacob fynis terre weliche Schiff also gerüst segelten alweg nach
den untergang der sonnen bey 500 teusche meilen zuletst wurden sy ains
tags ansichtig dise 10 inseln und aufs landt trettendt funden nichts
dann wildnuss und vögel die waren so zam dass sy vor niemandt
flohen aber von leutten oder thieren mit vier füssen war von
wegê der wildtnuss kains darkhumen zu wohnen um desswillen die
vögel nit scheuh waren also wurden sy geheissen insulen dos
azores das ist auf teutsch so vil als der habichen jnseln und umb
welichs willen der könik von portugal das ander jar schikt 16
schiff mit allerley zamê thierê und liess auf je de insel
sein tail thun umb darzu multiplicieren.
die obgeschriebini jnseln wurdê bewohnt anno 1466 wan der konik võ
portug al dise jnseln võ vleissiger bydte wegen si geschenckt het der
herzegin võ burgund seiner schwester mit namen frawen jsabella und
waren in flandern dissmals gross krieg und teurung, und schickte die
vorgenant herzogin vil volks mañ und frawê allerley handwerk mit sambt
priestern une was zum gottesdi enst gehöert etwen vil schiff mit
hausrath und was zu dem veldbau gehöert zu pauen aus flandern in die
jnsel liss jedem in die zwai jar geben wass sy nottürffig sein umb zu
ewigen zeitten in allen messen jr zu gedenkhen jegliche person mit
einim aue maria welcher personê bei 2,000 warê und mit denen die
seiter jürlich darkumen sindt und seiter darinê gewachsen di sindt vil
tausent worden anno 1493 do wontê in vil tausent persohnê noch da von
teutsch und flaming angesessen weliche unter dem edlen und gestrengê
ritter hern jobsten võ hürtter hern zu mörkirchen aus flandern meinê
lieben hern schweher dem dise jnsel von der vorgenanten herzogin von
burgundt jme und seinê nachkhumen gegeben ist jn welichen jnseln der
portugalischel zucker wechst und die frücht zwier im jar wan daselbst
nimermehr winter ist und alle leibs nahrung vast wolfeil ist darumb
kumen noch järlich vil volckhs da umb jr narung da zu suchen.
Abb.1 Behaim-Globus, Detail: Azoren mit Inschriften
Ravenstein findet in seinem noch immer zu wenig bekannten Buch,
``Martin Behaim, his life and globe'' (1), 1908 in London erschienen, nichts anderes über die
Azoren-Erklärung zu sagen, als daß sie ``bald and unsatisfactory''
ist (2). Eigentlich ist sie fast
völlig verkehrt. Erstens hat der Infant Don Pedro nie Portugal
regiert, sondern er war nur Regent während der Unmündigkeit Alfons
V. Er wurde von den Cortes in Lissabon im Dezember 1439 dazu
erwählt. Das Jahr 1431 ist also völlig unmöglich. Heinrich der
Seefahrer erhielt am 2.Juli 1439 vom König die Erlaubnis, sieben
Inseln der Azoren zu besiedeln. Er war der Oheim des Königs und nicht
sein Bruder. Isabella von Portugal, die Gemahlin Philipps des Guten,
Herzog von Burgund, war die Schwester des Königs Duarte, der 1438
verschied; er hat aber niemals die Azoren besessen. Es waren auch
keine 2000 flämische Einwanderer, sondern nur 15, die mit Joost de
Hurtere kamen, wie Valentim Fernandes Alemão, der deutsche Drucker,
der lange Zeit in Portugal lebte und manche von diesen Flamen gekannt
hat, berichtet. Joost de Hurtere ist nie Herr von Moerkerken gewesen,
und er hat nicht sämtliche Azoreninseln von Isabella von Burgund
erhalten, sondern wurde am 21.Februar 1468 von Dom Fernando, dem
Nachfolger Heinrichs des Seefahrers als Herr der Azoren und der
Madeira-lnseln, zum Kapitän der Insel Faial ernannt. Am 28. März 1481
wurde er auch Kapitän einer weiteren, nahe gelegenen Insel, nämlich
Pico. Auch das alles weiß der Verfasser der Azorenerklärung auf dem
Globus nicht. Es ist allerdings richtig, daß Behaim Joanna, Tochter
des Joost de Hurtere heiratete, nur wo fand die Heirat statt?
Daß Behaim vor 1492, dem Jahr der Fertigung des Globus in Nürnberg,
nicht in den Azoren gewesen war, wird wahrscheinlich durch all die
Irrtümer und Übertreibungen in der Inschrift. Wer dafür verantwortlich
sein kann, das werden wir noch besprechen. Die Heirat muß spätestens
am Anfang des Sommers 1488 stattgefunden haben, denn das einzige Kind
mit Namen Martin wie sein Vater, wurde im April 1489 geboren. Man
nimmt meistens an, daß die Heirat in Faial stattfand, aber dafür gibt
es nicht den mindesten Beweis. Als Behaim nach Portugal kam, traf er
selbstverständlich in Lissabon ein, und wir wissen von Hieronymus
Münzer, daß de Hurtere ein Haus am Rocio in Lissabon besaß, in dem
Münzer gewohnt hat. Die Gemahlin Hurteres und auch die Familie lebten
dort. Übrigens spricht kein einziges Dokument dieser Zeit davon, daß
Behaim auf Faial oder Pico war. Dies könnte erklären, warum der
Bericht auf dem Globus derart fehlerhaft ist. Behaim muß in Nürnberg
der Person, die die Inschriften anbrachte, sehr vage Angaben gemacht
haben, und der Schreiber (Gagenhart) hat wahrscheinlich noch weitere
Irrtümer hinzugefügt. Um dies ganz klar zu fassen, muß man im höchsten
Grade die sehr komplizierte Herstellungsweise des Globus
berücksichtigen.
Die Rechnung des Jörg Holtzschuher, nacheinander von Petz (3), Günther (4) und Ravenstein (5)
abgedruckt, beweist, daß dieses Mitglied einer großen Nürnberger
Kaufmannsfamilie selbst an dem Globus interessiert war. Holtzschuher
hat Behaim nicht für den Globus, sondern für eine gedruckte Landkarte
bezahlt, die als Modell urd Dokument für den Globus diente. Georg
Glockenthon hat fünfzehn Wochen am Globus gemalt und ist also
mitverantwortlich für sein Aussehen. Gagenhart hat die Beschriftung
angefertigt und ist deswegen mitverantwortlich für deren Inhalt.
Behaim stand natürlich mit diesen Leuten in Beziehung und hat mit
ihnen besprochen, was sie malen und schreiben sollten, da sein Name
erwähnt wird. Er sagte ihnen wohl unvollständige und eben verkehrte
Sachen, wie wir anhand der Azorenerklärung gesehen haben. Jedenfalls
hat er diese Handwerker stark beeindruckt, wie man am Beispiel
Ruprecht Kolbergers, des Herstellers der Kugel, sieht, der ihn bat,
ihn die Kosmografie zu lehren. Man weiß aber, nach den Studien von
Ravenstein, daß Behaim selber nicht viel davon verstand.
Außerdem ist die Dokumentation für die Darlegung der damals bekannten
Erde auf dem Globus durch eine Zusammenarbeit von Mitgliedern der
gelehrten Nürnberger Gesellschaft zusammengebracht, wie die von
Stauber 1908 entdeckte Notiz des Hartmann Schedel
ausweist. ``Presertim'' sagt Schedel, ``cum opus (der Globus) ex
illustribus cosmographis et geographis tam antiquis ut Strabone,
Pomponio Mela, Diodoro Siculo, Herodoto, Plinio Secundo Novocomensi,
Dionysio, etc., tum modernis ut Paulo Veneto, Petro de Eliaco et
peritissimis viris regis Portugalie profecimus.'' Diese erste Person
Mehrzahl ist aufschlußreich. Sie schließt natürlich Schedel selbst
ein, aber auch Leute wie Hieronymus Münzer, der an Portugal allgemein
und 1494 besonders an Lissabon interessiert war. Für die Nürnberger
Öffentlichkeit konnte die vom Rat in Auftrag gegebene Arbeit nicht
mehrere Namen tragen. Das hätte man nicht verstanden. So wählte
Schedel in seiner Notiz den Namen von Behaim, der die gedruckte
Landkarte als Quelle geliefert hatte und der mündlich die Texte, in
denen sein Name vorkommt, beigesteuert hatte. Da er kurz danach die
Stadt verließ, machte es um so mehr Eindruck, daß auch ``peritissimi
viri'' des Königs von Portugal dazu kamen. Diese könnten
beispielsweise Diego Gomes und Duarte Pacheco Pereira sein. Der erste
sagt am Anfang seines "De prima inventione Guinee", daß er dieses Werk
dem Behaim mitgeteilt habe. Der zweite war vor 1488 in Guinea gewesen
und danach in Lissabon, wo er später sein Esmeraldo schrieb. Beide
kann Behaim Schedel gegenüber erwähnt haben; aber dieser, der sie
nicht kannte, nannte sie kurzweg ``peritissimi'', also soviel wie
Experten.
Kommen wir noch einen Augenblick auf die Azoren zurück. Frutuoso, der
in der Mitte des 16. Jahrhunderts seine "Saudades da Terra" schrieb,
eine Chronik über die Ostatlantische Inselwelt, sagt, daß Behaim auf
Faial war, wo er Anweisungen machte über die Schiffahrt, wobei auch
die Rückfahrt aus Peru eine Rolle spielte. Peru aber war zu Behaims
Zeit jedoch noch nicht entdeckt, was hinreichend den geringen
dokumentarischen Wert dieses Textes beweist. Und selbst wenn Behaim
auf Faial gewesen wäre, dann gewiß nach 1492, dem Jahr seiner Rückkehr
nach Portugal und dem Entstehungsjahr des Globus. Er hätte sonst nicht
so viele Irrtümer dem Schreiber der Erklärung über die Azoren
mitgeteilt.
Am Ende dieser Zusammenfassung meiner Untersuchung bleibt
festzuhalten, daß Behaim eine gedruckte Karte nach Nürnberg
gebracht hat, die eine der Quellen für den Globus war. Von dieser
Karte hat Skelton schon 1960 gesagt, daß sie große
Ähnlichkeit mit denen des Henricus Martellus Germanus aufweisen
muß. Zweifellos ist der Globus viel mehr die Arbeit der
Gelehrten und der Handwerker von Nürnberg am Ende des
15. Jahrhunderts als von dem Mann, unter dessen Namen er bekannt
ist. Es ist also die ganze Stadt Nürnberg als ein humanistisches,
kommerzielles und industrielles Zentrum, der die Ehre dafür
zukommt.
(1) Ernest George
Ravenstein: Martin Behaim. His Life and His Globe. London 1908,
S. 75-76. (2) E. G. Ravenstein
(Anm. 1), S. 76.
(3) Hans Petz:
Urkundliche Beiträge zur Geschichte der Bücherei des Nürnberger Rates
1429-1538. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt
Nürnberg 6, 1886, S. 168-170.
(4)
Siegmund Günther: Martin Behaim (Bayerische Bibliothek, begründet und
hrsg. von Karl von Reinhardstoettner und Karl Trautmann,
Bd. 13). Bamberg 1890, S. 74-75.
(5)
E. G. Ravenstein (Anm. 1), S. 111-112.
Last modified: Fri Mar 20 09:50:00 MET 1998