2.18

Weltkarte

Michael Wolgemut und Wilhelm Pleydenwurff. Aus: Hartmann Schedel: Liber chronicarum. Nürnberg: Anton Koberger 12.7.1493, fol. 12v - 13r

Holzschnitt, koloriert, 30,6 x 43,1 cm

Germanisches Nationalmuseum, Inv.Nr. La 3559 Kapsel 1186

Die Weltchronik des Nürnberger Arztes und Humanisten Hartmann Schedel (1440 - 1514) zählt zu den bedeutendsten Druckwerken des 15. Jahrhunderts. Diesen Rang verleihen ihr vor allem die mehr als 1.800 Holzschnitte, die von den Malern und Formschneidern Michael Wolgemut (1434/37 - 1519) und Wilhelm Pleydenwurff (gest. 1494) entworfen wurden. Unter diesen Holzschnitten findet sich auch eine Weltkarte. Sie illustriert eine kurze Erdbeschreibung, die dem Bericht über die biblische Aufteilung der Erde unter die drei Söhne Noahs (Sem, Japhet und Cham) angefügt ist. Die Karte selbst zeigt deutlich den Einfluß des griechischen Geographen und Kartographen Ptolemäus (2. Jahrhundert n. Chr.), dessen Schriften im 15. Jahrhundert eine ausgesprochene Renaissance erlebten. Vorlage der Schedel'schen Weltkarte war eine Ptolemäus-Karte einer 1482 in Venedig gedruckten Ausgabe der "Chorographia" des römischen Geographen Pomponius Mela (1. Jahrhundert n. Chr., Kat.-Nr. 2.3).

Die abgebildete Karte entstammt der ersten lateinischen Auflage der Chronik, deren Druck der Nürnberger Drucker und Verleger Anton Koberger (1440/45 - 1513) am 12. Juli 1493 abschloß. Wie alle Ptolemäus-Karten ist sie genordet.

Charakteristisch für den Einfluß des Ptolemäus ist der von einer Landmasse umgebene Indische Ozean, der somit als Binnenmeer dargestellt wird. Im Vergleich zu mittelalterlichen Weltkarten sind die Umrisse der Kontinente relativ genau wiedergegeben. Der Nord-Süd-Verlauf des Nils ist richtig eingezeichnet. Auffallend sind die zwölf Köpfe, die die zwölf Winde symbolisieren. Wie die Karte der Mela-Ausgabe weist die Schedel'sche Weltkarte weder Längen- noch Breitengrade auf. Der Äquator ist nicht eingezeichnet. Eine Projektion ist nicht erkennbar. Eine Veränderung gegenüber der Vorlage ist allerdings bemerkenswert. Außerhalb der Karte sind die Noachiden, die drei Söhne Noahs abgebildet, und zwar links oben Japhet bei Europa, rechts oben Sem bei Asien und links unten - ein wenig deplaziert, da nicht bei Afrika - Cham. Diese Veränderung gegenüber der Vorlage stellt eine deutliche Verbindung zu dem Text her, der von der Aufteilung der Erde unter die Söhne Noahs berichtet. Sie verleiht der Karte aber einen ausgeprägt mittelalterlichen Charakter.

Bemerkenswert ist ferner, was die Karte nicht zeigt. Die Umsegelung des Kaps der Guten Hoffnung durch Bartolomeu Dias 1488, die die Ptolemäische Hypothese eines geschlossenen Indischen Ozeans widerlegte, ist nicht berücksichtigt. Auch der kurz zuvor erfolgten Entdeckung Amerikas durch Kolumbus wird keine Rechnung getragen. Die vier weiteren Druckausgaben der Schedel'schen Weltchronik, die zwischen 1493 und 1500 von Anton Koberger in Nürnberg und Hans Schönsperger in Augsburg gedruckt wurden, berücksichtigten die Entdeckungen gleichfalls nicht. Geographie und Kartographie blieben im 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts noch traditionellen Vorstellungen verhaftet. Erst langsam begann sich das überlieferte Weltbild zu wandeln.

Literatur:

Elisabeth Rücker: Die Schedelsche Weltchronik. Das größte Buchunternehmen der Dürer-Zeit. München 1973, S. 77-81.

Anna-Dorothee von den Brincken: Universalkartographie und geographische Schulkenntnisse im Inkunabelzeitalter (Unter besonderer Berücksichtigung des "Rudimentum Noviciorum" und Hartmann Schedels). In: Studien zum städtischen Bildungswesen. Göttingen 1983, S. 398-429.

Rodney W. Shirley: The Mapping of the World. Early Printed World Maps 1472 - 1700. London 1983, S. 19.

Tony Campbell: The Earliest Printed Maps 1472 - 1500. Berkeley - Los Angeles 1987, S. 152-159.

M.H.