3.51
Martin Behaim
Siegmund Günther (Bayerische Bibliothek, Bd. 13)
Bamberg: Buchnersche Verlagsbuchhandlung, 1890
Mit 15 Abbildungen
H. 19 cm, Br. 12 cm
Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Sign. G 1595
1890, im Jahre der Errichtung des Behaim-Denkmals in Nürnberg (s. Kat. -Nr.3.57 - 3.61), erschien diese kleine Monographie des angesehenen Geographen und Mathematikers Siegmund Günther (1848 - 1923), der im übrigen während der Denkmalsenthüllung die Festrede halten durfte. Als Professor für Geographie an der Technischen Hochschule in München galt er als Autorität auf dem Gebiet der historischen und mathematischen Geographie. U.a. veröffentlichte Günther in einem kurzen Katalog die Sammlung wissenschaftlicher Geräte des Germanischen Nationalmuseums.
Trat Ghillany (s. Kat.-Nr. 3.49) noch mit dem Anspruch auf, in seiner Behaim-Arbeit alle verfügbare Quellen gesichtet und damit für alle Zukunft das letzte (wissenschaftlich - gewichtige) Wort in Sachen Behaim gesprochen zu haben, so belehrte Siegmund Günther die Fachwelt eines besseren. Tatsächlich konnte er noch Archivalien einarbeiten, die bis dahin unbekannt, bzw. nicht publiziert waren. Diese zusätzlichen Archivfunde gehen auf Tätigkeit des ersten Nürnberger Stadtarchivars Georg Wolfgang Karl Lochner (1798 - 1882) zurück. Auf die Lochnersche Aktensammlung, die während dessen Amtszeit zwischen 1865 bis 1882 angelegt wurde, machte Ernst Mummenhoff (1848 - 1931), Lochners Nachfolger im Amt, aufmerksam. Diese Schriftstücke, die Günther einsehen und mitverarbeiten konnte, beziehen sich auf Schulden, Erbschaftsangelegenheiten und den damit verbundenen Streifällen zwischen Behaim und dessen Verwandte. Wichtig für die Behaim-Biographie ist eine Urkunde vom 13. Februar 1489. Darin wird von Vertragsabschlüssen der Kaufleute Hirschvogel und Schlewitzer mit M. Behaim berichtet. Die Unzuverlässigkeit M. Behaims in Kredit-Geschäften wird daraus ersichtlich. Wichtig ist zudem der Umstand, daß sich M. Behaim noch im Jahre 1484 in Antwerpen aufhielt.
Für Günther steht fest, wie auch schon für A.v. Humboldt (1836) und für Ghillany (1853) (vgl. Kat. -Nr.3.49), daß Behaim vor allem für die portugiesische Seefahrt Wesentliches geleistet haben mußte. Jedoch nicht das Meteoroskop (v. Humboldt) oder das Astrolabium (Ghillany) hätte Behaim nach Portugal gebracht, sondern den Jakobsstab. Siegmund Günther schließt sich in dieser Behauptung dem Geographen Arthur Breusing an, der diese Auffassung 1869 erstmals publiziert hatte. Wiewohl Günther auf den kaufmännischen Werdegang Behaims hinweist und in Abrede stellt, daß der junge Behaim je auf einer Lateinschule gewesen sei und dort besondere Kenntnisse erhalten hätte, so steht für ihn doch fest, daß Behaim Privatschüler des Regiomontanus gewesen sein mußte. Günther sah in Behaim daher auch den Vermittler der Regiomontanschen 'Ephemeriden', die, nach seiner Auffassung, für die portugiesische Seefahrt von entscheidender Wichtigkeit waren. Des weiteren stellt er die bedeutenden Entdeckerleistungen heraus, die Behaim als Begleiter Diogo Caos, im Bereich der afrikanischen Küste, vor allem der Kongomündung vollbracht haben soll.
Keine der zentralen Thesen Günthers hält heute wissenschaftlicher Überprüfung stand, dennoch behält Günthers Arbeit für die Behaimforschung, vornehmlich im Bereich der aufbereiteten Archivalien ihren Wert. Obwohl geborener Nürnberger ist S. Günther in seiner Behaim-Monographie keineswegs überschwenglich lokalpatriotisch. Im Vergleich mit anderen Behaim-Publikationen dieser Zeit muß durchaus der sachlich-abwägende Duktus und der quellenbezogene Stil Günthers gelobt werden. Hervorzuheben ist ferner, daß Günther bei mangelhafter Quellenlage und strittigen Fragen stets angibt, daß er spekuliert und mit welchem Ziel er dies tut.
Das als Frontispiz wiedergegebene Behaim - Portrait ist die, von Christoph Müller angefertigte, Photographie eines Gemäldes, das sich im Besitz der Behaim-Familie befand und heute verschollen ist. Es zeigt Martin Behaim in Ritterharnisch, in der Rechten eine Fahne haltend, im Hintergrund ein Schiff. Vorbild für dieses Portrait ist sicherlich die Behaim-Abbildung auf dem 1519 gestifteten Totenleuchter (s. Kat.-Nr. 3.16). Die dem Bild beigefügte Namensunterschrift ist einem Brief M. Behaims entnommen.
Literatur:
Arthur Breusing: Regiomontanus, Martin Behaim und der Jakobsstab. In: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde 4, 1869.
Ernest George Ravenstein: Martin Behaim. His Life and his Globe. London 1908, S.16 - 20.
Ernst Zinner: Nürnbergs wissenschaftliche Bedeutung am Ende des Mittelalters. In: Mitteilungen der Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 50, 1960, S.118.
Zu biographischen Daten Günthers: Gert A. Zischka: Allgemeines Gelehrten - Lexikon. Stuttgart 1961, S.265.
Zu Günthers Bearbeitung der wissenschaftlichen Instrumente im Germanischen Nationalmuseum: Johannes Willers: Wissenschaftliche Instrumente. In: Bernward Deneke und Rainer Kahsnitz (Hrsg.): Das Germanische Nationalmuseum Nürnberg 1852 - 1977. München 1978, S.861.
P.J.B.