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De situ orbis habitabilis
Dionysios Periegetes (Afer). Venedig: Bernhard Maler, Erhard Ratdolt, Peter Löslein 1477
25 x 18 cm, fol. 102: Eintragung von Hermann Schedel: "De globo sp[h]erico terre"
München, Bayerische Staatsbibliothek, Sign. 4° Inc. c.a. 97
Die Abfassung dieses geographischen Textes in Hexametern stellt eine Besonderheit dar und deutet zugleich darauf hin, daß bereits der Verfasser, Dionysios Periegetes, das Werk im Hinblick auf eine spätere Verwendung als "Schulbuch" schrieb, da die metrische Form das Lernen erleichterte. Dionysios Periegetes stammte aus Alexandria und lebte im 2. Jahrhundert n. Chr. In seiner ca. 124 n. Chr. verfaßten Öikumenes Periegesis" (Begehung und Erklärung der bewohnten Erde) beschreibt Dionysios in knapper Form die Gestalt der Erde, die Kontinente Afrika, Europa, Asien sowie die Meere und die in ihnen vorhandenen Inseln. In der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts n. Chr. nahm der aus dem etruskischen Volsinii stammende römische Dichter Rufius Festus Avienus eine lateinische Bearbeitung des Textes vor, gefolgt von der im 6. Jahrhundert n. Chr. entstandenen lateinischen Adaption durch den lateinischen Grammatiker Priscianus. Die in der Ausstellung gezeigte Ausgabe ist die von Antonius Beccaria (1400 - 1474) ausgeführte Übersetzung des griechischen Textes ins Lateinische. Während die Zahl der auf dieser Fassung basierenden Druckausgaben sich bis zum Jahre 1499 auf fünf beschränkt, lassen sich zusätzlich für Avienus eine Ausgabe sowie für Priscianus mindestens neun Ausgaben nachweisen und geben damit einen Hinweis auf die große Verbreitung des Textes.
Das vorliegende Exemplar aus dem Besitz Hartmann Schedels zeichnet sich zusätzlich dadurch aus, daß Schedel dem Text des Dionysios eine Abhandlung "De globo sp[h]erico terre" beifügte, die auf eine unmittelbare Beteiligung an der Herstellung des Behaim-Globus schließen läßt. Fraglich ist jedoch, ob die Formulierung, die sehr starke Entlehnungen aus der Äsia" des Eneas Silvio Piccolomini (späterer Papst Pius II., Kat.-Nr. 2.13) erkennen läßt, von Schedel selbst oder von Hieronymus Münzer stammt, der sowohl mit Behaim als auch mit Schedel in gutem Kontakt stand. Der in der Abhandlung enthaltene Verweis auf die zahlreichen Quellenwerke, die zur Herstellung des Globus Verwendung fanden (Diodorus Siculus, Dionysios Periegetes, Herodot, Plinius Secundus [Kat.-Nr. 3.25], Pomponius Mela [Kat.-Nr. 2.3], Ptolemäus [Kat.-Nr. 1.22 und 2.16], Strabon [Kat.-Nr. 3.24], sowie Marco Polo [Kat.-Nr. 3.26], Petrus de Alliaco [Kat.-Nr. 2.10]), gibt einen Einblick in die zur damaligen Zeit zum Thema Geographie existierende Büchervielfalt, die insbesondere in den Bibliotheken der Humanisten Aufnahme fand.
Literatur:
Dionysius Periegetes. Graece et Latine. Hrsg. v. Godofred Bernhardy. Teil 1-2. Leipzig 1828 (Nachdr. Geographi Graeci minores, 1. Hildesheim 1974.
Gabriel Gottfried Bredow: Schriften - Ein Nachlaß. Hrsg. v. J.G. Kunisch. Breslau 1823.
A.W.-T.