De situ orbis
Pomponius Mela. Venedig: Bernhard Maler, Erhard Ratdolt, Peter Löslein 1478
24,8 x 18 cm
München, Staatsbibliothek, Sign. 4° Inc. c.a. 122
Das älteste vollständig erhaltene, in lateinischer Sprache abgefaßte geographische Werk ist der hier vorliegende Text des Pomponius Mela. Wie bei vielen Inkunabeln existiert kein eindeutiger Titel, weshalb das Werk sowohl als "De situ orbis", als "Cosmographia" bzw. als "De Chorographia" geführt wird.
Der Autor war römischer Geograph aus Tingentera (Südspanien) und verfaßte dieses Werk um 44 n. Chr. In drei Büchern beschreibt er vor allem die Küstenregionen der ihm bekannten Länder. Begriffe wie "Hemisphäre", Äntichthonen" usw. verwendet Mela mit scheinbarer Selbstverständlichkeit und zeigt damit, daß die geographischen Kenntnisse der Antike nicht - wie manchmal angenommen - nur von Phantasievorstellungen und Sagen geprägt waren. In nur wenigen Handschriften wurde das Werk seit dieser Zeit bis ins 15. Jahrhundert überliefert und erst dann durch die Humanisten und den jungen Buchdruck in großem Maße verbreitet. Zehn Ausgaben brachten Drucker in Italien und Spanien bis zum Jahre 1498 heraus, darunter auch die von Deutschen geführten Offizinen Ratdolt, Maler, Löslein und Renner. Die hier gezeigte Ausgabe aus dem Jahre 1478 stammt aus der Bibliothek des Humanisten Hartmann Schedel (1440 - 1515), der sich bereits 1472 eine Abschrift des Werkes besorgt hatte; der Text Melas war in der Schedel'schen Bibliothek mit dem Werk "De situ orbis" des Dionysios Periegetes (Kat.-Nr. 3.22) zusammengebunden. Von den gedruckten Ausgaben enthielt erstmalig die Ausgabe des Jahres 1482 aus der Offizin Ratdolts eine Karte. Sie diente später als Vorlage für die Weltkarte in der Schedel'schen Weltchronik (fol. 12-13, Kat.-Nr. 2.18). Zwar besaß Hartmann Schedel diese Ausgabe des Mela von 1482 nicht selbst, doch die enge Zusammenarbeit mit Hieronymus Münzer ermöglichte es, das Exemplar aus dessen Bibliothek zu nutzen.
Welch hohe Wertschätzung man dem Text des Pomponius Mela wie auch dem des Strabon (Kat.-Nr. 3.24) zollte, zeigt sich darin, daß seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert beide Werke Aufnahme im Lektürekanon der Universitäten fanden. Im Jahre 1512 gab Johannes Cochläus, Schulmeister bei St. Lorenz in Nürnberg, das Werk des Pomponius Mela mit seinem Kommentar als Schulbuch heraus.
Literatur:
Pomponius Mela: Geographie des Erdkreises. Übers. v. Hans Philipp. Leipzig 1912.
A.W.T.