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Brief Michael Behaims an Jörg Pock in Lissabon
Nürnberg, 12. November 1518
Tinte auf Papier
Nürnberg, Stadtarchiv, Sign. Rep. E 11,II, Nr. 582,1
Das sehr umfangreiche Schreiben Michael Behaims, des Bruders von Martin, ist an Jörg Pock gerichtet, der "Faktor", also Geschäftsvertreter, der Handelsgesellschaft der Hirschvogel in Lissabon gewesen ist. Über Jörg Pock zogen die Nürnberger Behaim Erkundigungen über den Sohn Martin Behaims, Martin d.J. und seine Verwandtschaft ein. Das Interesse des Nürnberger Familienzweigs an dem mittlerweile dreißigjährigen Sohn Martin Behaims wird in dem Schreiben sehr deutlich angesprochen: In Nürnberg lebten nur noch vier männliche Nachkommen der Familie, von denen keiner einen Sohn besaß. Man war deshalb an Martin d.J. interessiert, und Michael erkundigte sich bei Jörg Pock über die Möglichkeiten, ihn nach Nürnberg zu ziehen und ihn eventuell dort zu verheiraten. Auch erwog man, daß er die deutsche Sprache erlernen sollte. Man wollte wissen, womit er seinen Lebensunterhalt verdiente und wies darauf hin, daß ihm das Erbe des in Lissabon verstorbenen jüngsten Bruders Martins, des Wolf Behaim, zugefallen war. Die Vorstellungen Michaels konkretisierten sich derart, daß er sich überlegte, Martin d.J. nach Lindau oder Konstanz zu schicken, um ihn dort die deutsche Sprache erlernen zu lassen, da dort die Lebenshaltungskosten relativ gering seien. Bei ihm selbst könne er wohl kaum wohnen, denn er habe "ein enga behausung und kein roß stall nit". Bemerkenswert ist jene Stelle im Brief, in der Michael die Berufsmöglichkeiten des jungen Martin am Leben seines Vaters mißt. Er erwähnt, wie wenig sicher es sei, sich mit einem seemännischen Beruf durchzubringen, wenn er aber in den Hofdienst gehen wolle, müsse er stets bedenken, daß man im Alter oft an den Höfen in Ungnade fallen könne, und es sei ein Sprichwort, daß Herrendienst nicht erbt. Es könne leicht passieren, daß jemand vom Hof abgewiesen wird und er danach Mangel leide. Der Vater des jungen Martin sei in seiner Jugend bei dem alten König (Johann II.) in Ansehen gestanden; wie sich dies aber geändert habe, das möge Pock besser wissen als er, Behaim, schreiben könne. Während diese Stelle beim Beruf des Seefahrers keinerlei Bezug auf Martin Behaim nimmt, ist dies bei der Besprechung des Hofdienstes sehr wohl der Fall. Man kann aus dieser Stelle herauslesen, daß die Familie selbst die Rolle Martins als Seefahrer keinesfalls so hoch eingeschätzt hat, wie dies im 19. und frühen 20. Jahrhundert dann der Fall gewesen ist.
Literatur:
Friedrich Wilhelm Ghillany: Geschichte des Seefahrers Ritter Martin Behaim nach den ältesten vorhandenen Urkunden. Nürnberg 1853, S. 111 - 112.
Ernest George Ravenstein: Martin Behaim. His Life and His Globe. London 1908, S. 54.
J.W.