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Brief Martin Behaims an seinen Onkel Leonhard Behaim

Antwerpen, 8. Juni 1479

Tinte auf Papier

Nürnberg, Stadtarchiv, Sign. Rep. E 11, II 569, 3

Martin Behaim schreibt von seiner neuen Lehrstelle bei dem aus Nürnberg stammenden Färber Fritz Heberlein an seinen Onkel einen Brief, der für damalige Lehrverhältnisse etwas merkwürdig ist. Man kann ihm entnehmen, daß er zum einen bei dem Färber Heberlein in der Werkstatt arbeiten mußte und daß er zum anderen selbst Tuchhandel betreiben konnte. So erwähnt er, daß er 300 Gulden, die seine Mutter ihm sandte, dazu verwendete, englische Tuche zu kaufen und nach einer Vereinbarung mit seinem Lehrherrn in dessen Werkstatt färben und zubereiten zu lassen. Der Tonfall seiner Äußerungen darüber lä ßt aber den Schluß zu, daß Martin Behaim keine allzu guten Geschäftsergebnisse erwartete, da "... nun vil tuchs auss engelandtt komen sindt ...". Beschwichtigend erwähnt er, daß Mitarbeiter in der Werkstatt die außerordentliche Qualität der von ihm gekauften Tuche gerühmt hätten. Eigenartig muß auch eine Textstelle berühren, in der Behaim seinem Onkel darüber klagt, wie schwierig es sei, allein Tuchhandel zu betreiben und daß er gerne einen älteren Kompagnon hätte, der in Gesellschaft mit ihm den Handel betriebe und der ihn belehre und unterweise, denn allein sei nicht gut Geschäfte machen. Offenbar im Bestreben, bei seiner Familie aufkommende Bedenken zu zerstreuen, fordert er seinen Onkel auf, seiner Mutter mitzuteilen, daß sie keine Sorge haben müsse, daß er "... müssig ... gen, sonder albeg [= allweg] genug zu ton ..." habe. Mit seinem Meister sei er übereingekommen, falls er, Martin, nichts mit dem Tuchhandel zu tun habe, solle er in der Werkstatt arbeiten ("... täglich an den tuchen arbeitten ... als der andern Gesellen einer ..."). Dem ältesten Gesellen in der Werkstatt habe er "... mit der feder leren rechen ..." und dafür habe ihm dieser das Ausbereiten und Tuchheften gelehrt. Sein Meister, das Hausgesinde und die Kaufleute hätten ihn sehr lieb, wobei das Wort sehr ("fast") von Behaim nachträglich in die Zeile eingefügt wurde. Auch dieser Brief wirft ein eigenartiges Licht auf jene Lebensphase Behaims. Er scheint nicht so selbstsicher und dynamisch gewesen zu sein, wie ihn spätere Geschichtsschreiber sehen wollten. Gewisse Schwierigkeiten mit seiner Lehrstelle, wohl auch vielleicht berechtigte Sorgen der Mutter über seinen Müßiggang oder seine Lernschwierigkeiten scheinen aus diesem Brief zu sprechen. Das bemerkenswerteste aber ist wohl der Umstand, daß er als Patriziersohn mit Handwerkern in der Werkstatt arbeiten mußte und dies zu einer Zeit, in der er nach Auffassung mancher Historiker schon Kenntnisse als Seefahrer und Navigator gesammelt haben müßte.

Literatur:

Friedrich Wilhelm Ghillany: Geschichte des Seefahrers Ritter Martin Behaim nach den ältesten vorhandenen Urkunden bearbeitet. Nürnberg 1853, S. 104 - 105.

Ernest George Ravenstein: Martin Behaim. His Life and His Globe. London 1908, S. 109 - 110.

J.W.