in: Bott, G.; Willers, J. (Hrsgb.): Focus Behaim-Globus. Ausstellungskatalog, 2 Bde., Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Nürnberg, Dezember 1992.
Der Erdapfel ist nicht nur Träger der karthographischen Informationen, sondern läßt sie uns auch räumlich erleben. Folglich bestand schon immer ein besonderes Interesse an der Konstruktion von Globen. Noch im 13. Jahrhundert wird in dem von Alfons X. veranlaßtem Werk "Libros del saber de astronomia" Holz als am besten geeignetes Konstruktionsmaterial beschrieben, daneben aber auch schon Pergament, Leder und Leinen erwähnt 1. Nach Stevenson 2 bereitete die Verwendung von Pergament noch Schwierigkeiten, da man zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage war, die nachträgliche Schrumpfung des Pergaments auszugleichen.
Eine exakte Beschreibung der historischen Herstellungstechnik des Behaim-Globus' ist bisher nicht bekannt. Als besonders aufschlußreich ist deshalb ein Blick in die Ausgabenbücher der Nürnberger Bürgermeister Ulmann Stromer und Andreas Tucher von 1494. Hier finden sich Angaben über die Kosten, die verwendeten Materialien und die an der Herstellung beteiligten Künstler und Handwerker des Behaim-Globus' 3. Die im folgenden zitierten Beschreibungen stützen sich im Wesentlichen auf die Angaben in den Ausgabebüchern, die Ausführungen von Bauer nach der Restaurierung von 1823 4 und die jeweiligen eigenen Beobachtungen.
1890 beschreibt Günther in seinem Buch über Martin Behaim die Herstellung wie folgt: "Der Globus hat, wenn wir zunächst vom Äusserlichen sprechen, einen Durchmesser von 54 cm; er ist aus Pappe gefertigt, die nachher mit Gips und über diesem wieder mit Pergament überzogen wurde. Eine hindurchgesteckte Achse gestattet die Umdrehung. Das Meer legte Behaim mit blauer Farbe, die Länder legte er grün und braun, Schneegipfel mit weiss an. Die Schrift schimmert in den verschiedensten Färbungen" 5.
Nur noch von Pappmasse ist im Jahre 1938 bei Uhden 6 in seiner Abhandlung über die Nürnberger Globentechnik am Ende des 15. Jahrhunderts die Rede: "Der Behaimsche Globus besteht aus einer Pappmasse, die über einer Lehmform zur Hohlkugel gerundet, dann am Äquator aufgeschnitten und nach Entfernung der Form wieder zusammengefügt wurde. Auch die Segmente, mit denen die Kugel bedeckt ist, setzen sich aus zwei am Äquator getrennten Teilen zusammen (...)".
Ausführlicher und als "gelöst" beschreibt im Jahre 1955 Muris 7 die Frage nach der Herstellungstechnik des Erdapfels: " (...) die Materialfrage sei gelöst, und zwar so, daß dieser Globus als das älteste Beispiel seiner Art gelten kann. Er besteht aus einer Pappmasse, die über einer Lehmform zur Hohlkugel gerundet, dann am Äquator aufgeschnitten und nach Entfernung der Form wieder zusammengefügt wurde. Eine darübergelegte Schicht Gips bildete die verfestigte Grundlage auf die nunmehr die bereits fertig beschrifteten und bemalten Pergamentsegmente aufgezogen wurden".
In diesem Zusammenhang interessant ist die Publikation von Wächter 8. Er klassifiziert die Globen nach der "stets wiederkehrenden Bauart" nach folgenden vier Kriterien: "1. Holzgerüst mit Jutebespannung und Kreideschicht, 2. kugelförmig gestaffelte Brettchen mit Kreideschicht, 3. die aus zwei oder mehreren Segmenten zusammengesetzte Papiermacheekugel, 4. die Vollkugel bei kleineren Formaten".
Abb. 1 Blick auf den Südpol bei demontierter
Achse Schichtenfolge von außen beginnend 1. Malschicht,
2. Papier, 3. Pergament, 4. Leinen
Wesentlich neue Erkenntnisse der Herstellungstechnik des Behaim'schen Erdapfels erlangte Helwig 9 1977 vor allem durch systematische technologische Untersuchungen und den Einsatz radiographischer Methoden. Im Ergebnis seiner Untersuchungen liest sich die Herstellungstechnik so: "Die innere Fläche erweist sich als völlig mit grobem Gewebe ausgekleidet, bei dem einerseits Nähte zu entdecken sind ('Abnäher') und zum anderen eine deutlich sichtbare Schnittlinie, an der entlang nicht zwei verschiedene Stücke Gewebe zusammengefügt wurden, sondern ein einheitliches Stück zertrennt und wieder verbunden wurde. (...) als nächste Schicht zur äußeren Oberfläche hin eine Lage von etwa 8 - 10 mm Stärke, die aus losem Fasermaterial besteht. Eine mikroskopische Untersuchung einzelner Fasern und auch des Gewebes an der Innenseite ergibt, daß es sich in beiden Fällen um Leinen handelt. Als nächste Schicht folgt nach außen hin ein kräftiges Leder von etwa 3 - 4 mm Stärke. Auf dieses wurde dann schließlich der Malgrund aufgebracht, der in diesem Fall aus Papier besteht" 10.
Abb. 2 Detail der nördlichen Halbkugel
(Röntgenaufnahme). Form und Verlauf der Nähte der
Pergamentschicht sind deutlich sichtbar.
Diese Beschreibung des Aufbaues der Kugelschale hätte zumindest betreffs der Abfolge der Materialien bei visueller Untersuchung auch in früheren Schilderungen auftreten müssen, denn er ist ohne Hilfsmittel nach Demontage der Achse sichtbar (Abb. 1); kein Gips oder Pappmaché, wie in früheren Forschungsberichten angegeben. Durch die Röntgenaufnahmen (Abb. 2) wurden auch Aussagen über die Verbindung der beiden Kugelhälften und die Herstellung der "Leder"-Schicht möglich: "(...) daß unmittelbar nördlich und südlich des Äquators zwei Holzreifen angebracht sind, die über ihren ganzen Umfang mit einer klebenden Füllmasse aneinandergebunden sind. Diese Reifen aus sorgfältig ausgewähltem Nadelholz scheinen besonders exakt hergestellt worden zu sein, denn es sind im Röntgenbild keine Überlappungen oder dergleichen an den Stellen zu entdecken, wo die ursprünglich geraden Holzreifen zu Kreisen zusammengefügt wurden. Die Breite dieser Reifen beträgt jeweils etwa 5 cm. - An sechs Stellen wird der Äquator, wie das Röntgenbild zeigt, von Strukturen geschnitten, die wie aneinandergereihte Zweiecke oder zwei sich ständig kreuzende Wellenlinien wirken. Verfolgt man diese Strukturen zu den Polen hin, so enden sie an einem leicht exzentrisch zum jeweiligen Pol liegenden Kreis, der sich in gleicher Weise auf dem Röntgenbild zeigt. Hierbei muß es sich um die Nähte zwischen den einzelnen Teilen der an den Polöffnungen sichtbaren Lederschicht handeln. Es fällt schwer, diese Nähte im einzelnen technologisch zu interpretieren. Aus der Gleichmäßigkeit der im Bild sichtbaren Strukturen dürfen wir jedoch auf sorgfältige Ausführung und durchdachte Wahl der Verbindungsart schließen." 11
Aus diesen technologischen Untersuchungen und der Auswertung historischer Dokumente wurde die Herstellung des Behaim-Globus' Anfang 1992 rekonstruiert: "Meister 'Glockengißer', ein Nürnberger Glocken- und Geschützgießer, formte eine Lehmkugel von hohem Ebenmaß, um die der 'weiße parchat' gelegt, vernäht und mit Leim versteift wurde. Anschließend schnitt man die Leinenhülle in zwei Teile und entnahm den Lehmkern. Die wiederum zusammengefügte, noch sehr fragile Leinenkugel erhielt eine Verstärkung durch die beiden Holzreifen, deren Dicke durch die leimgehärtete Faserschicht ausgeglichen wurde. Der Handwerker Ruprecht Kolberger überzog die Kugel nun mit Lederteilen - den beiden Polkalotten und sechs Segmenten - und vernähte sie sorgfältig. Das Röntgenbild zeigt die feinen Nähte. Dann erst brachte der Maler Georg Glockenthon eine Papierschicht als Malgrund auf, rieb sie gründlich mit Brot ab, bis das Finish stimmte, und ging ans künstlerische Werk, nach den Vorgaben und der Vorlage Behaims" 12.
Dieser Exkurs sollte das Interesse an der historischen Herstellungstechnik wecken, bevor durch neue Untersuchungsmöglichkeiten neue Erkenntnisse hinzugefügt werden.
Unsere Pflicht der Erhaltung des Behaim-Globus erfordert die Entwicklung wirksamer konservatorischer Behandlungsmethoden, die jedoch erst nach Klärung der historischen Herstellungstechnik und den verschiedenen die Schadensbildung verursachenden oder beeinflußenden Parametern möglich wird. Hier sind vor allem die individuelle Geschichte des Globus, bereits vorgenommene restauratorische Eingriffe sowie Informationen über den zeitlichen Ablauf der Alterungs- und Degratationsprozesse von Bedeutung. In diesem Sinne, vor allem in Anbetracht des hohen historischen und materiellen Wertes des Erdapfels, sind bedeutende Anstrengungen seitens der naturwissenschaftlichen Forschung gerechtfertigt.
Wir müssen uns aber auf der anderen Seite dessen bewußt sein, daß besonders heute ein nie gekanntes Ausmaß an öffentlichem Interesse an Kunstwerken und deren Erhaltung besteht. Im öffentlichen Interesse muß aber mehr und mehr das Bewußtsein dafür geweckt werden, daß mit dem uneingeschränkten Umgang und der ständigen Präsentation wir den nachfolgenden Generationen unsere Kunstwerke in vermindertem Zustand und geringerer Qualität hinterlassen, trotz enormer Anstrengungen auf restauratorischem und naturwissenschaftlichem Gebiet.
Die bevorstehende Fünfhundertjahrfeier war Anlaß, mit heutigen Möglichkeiten und vertretbarem Risiko neue Erkenntnisse über den Erdapfel zu gewinnen. Für den Materialanalytiker leiteten sich daraus im Rahmen der Möglichkeiten zwei Schwerpunkte ab:
Allgemeine Voraussetzung für die Möglichkeiten einer analytischen Charakterisierung von Kunstwerken ist keine oder eine möglichst geringe Beschädigung, sollte doch die Unersetzbarkeit eines Kunstwerkes dem Forscherdrang eine unsichtbare Schranke auferlegen. Der Grundgedanke der Analyse besteht darin, mit einem Minimum an Probematerial ein Maximum an Informationen zu erhalten.
Für die Materialanalysen und technologischen Untersuchungen des Erdapfels wurden sowohl mikroskopische-, mikrochemische- und dünnschichtchromatographische Nachweismethoden als auch die Endoskopie und Computertomographie eingesetzt.
An den vom Kunsthistoriker oder Restaurator vorgegebenen Stellen wurden zur Analyse der verwendeten Pigmente, der Bindemittel, der Konstruktionsmaterialien und der Korrosionsprodukte mikroskopisch kleine Proben entnommen und die Probenahmestellen photographisch dokumentiert (Abb. 3).
Im Bereich des Südpols wurde von einer gelösten Farbschicht eine größere Probe für einen Querschnitt entnommen (Abb. 4).
Abb. 3 Photographische Dokumentation der
Probenahmestellen 1 bis 4 am Südpol des Behaim-Globus
Die Auswahl der Probenahmestellen erfolgte nach der Untersuchung mit Ultraviolett (UV)- und Infrarotstrahlung (IR). Bei der UV-Untersuchung wurde visuell das reflektierte Fluoreszenzlicht beurteilt und bei der IR-Untersuchung mit Hilfe der Infrarotreflektographie Informationen gewonnen. Für beide Methoden läßt sich zusammenfassend feststellen, daß keine eindeutigen Ergebnisse erzielt wurden. Eine Vorzeichnung wurde nicht gefunden und was die UV-Untersuchungen betrifft, sind die Ergebnisse vor allem durch die erfolgten restauratorischen Maßnahmen stark beeinträchtigt.
Abb. 4 Querschliff von Probe 4, Patrizierwappen,
Gold auf Azurit. 200fache Vergrößerung
Zur Identifizierung der Materialproben kamen folgende Methoden zum Einsatz 13:
Die gewonnenen Analysenergebnisse weisen große Einheitlichkeit auf, erbrachten jedoch nicht immer die erwarteten Ergebnisse.
Die Bindemittelanalysen wurden vor allem durch die durchgeführten Restaurierungen, von denen drei, die von 1823, 1847 und 1937, belegt sind, nahezu unmöglich gemacht. Durch die erwähnten Auffrischungen wurden Öle, Harze und Wachse als neue Bindemittel in die Malschicht eingebracht, so daß die Farbigkeit, soweit noch vorhanden, unter graubrauner Patina verborgen ist. Doch was ist Patina und was stellt sich als unerwünschte Alterungserscheinung heraus? Mit dieser schwierigen Problematik setzt sich Brachert 14 auseinander.
Von den vor 100 Jahren noch in verschiedendsten Färbungen schillernden Schriften ist nichts mehr zu sehen. Die Reste waren mit dünnschichtchromatischen Methoden nicht mehr identifizierbar.
Die Palette des Malers Georg Glockendon ist keineswegs sehr ausgedehnt. Er benutzte die Pigmente Bleiweiß, Ocker, Zinnober, Kupfergrün und Azurit. Das Azurit hat bis heute seine Leuchtkraft erhalten, wie der Querschliff in Abbildung 4 zeigt. Bei der Betrachtung des Originals erscheint es jedoch grünbraun verfärbt. Daneben kamen Blattgold für Goldpartien und die Inschriften aber auch Blattsilber als Flitter im Grün von Wäldern und Hochgebirgen zum Einsatz.
Auf dem Papier befindet sich eine Leimlösche, worauf die Farben ohne Zwischengrundierung aufgebracht wurden. Eine Unterscheidung der Schriften anhand der Materialien ist nicht möglich. Bei den in Zinnober ausgeführten Schriften waren Unterschiede in den Farbnuancen zu erkennen, die sich aus dem unterschiedlichen Alter des Auftrages erklären. In den Goldschriften wurden Gummen als Bindemittel nachgewiesen.
Die Faseranalyse der fünf am Südpol in verschiedenen Tiefen entnommenen Fasern erbrachte, wie bereits bei Helwig, als Ergebnis Leinen.
Abb. 5 Endstück der Achse. Starke
Korrosionserscheinungen auf der dem Globus zugewandten Seite
In der "Leder"-Probe konnten keine mineralischen oder organischen Gerbstoffe nachgewiesen werden. Definitionsgemäß bezeichnet man aber enthaarte, auf einem Spannrahmen getrocknete und nicht gegerbte Tierhäute als Pergament 15. Der Definition folgend, ist demzufolge als Bezeichnung für das der "Leinenkugel" folgende Konstruktionsmaterial nicht der Terminus Leder sondern der Terminus Pergament zu verwenden.
Das Pergament ist aber nicht der direkte Träger der Malerei. Auf diesem ist noch eine Lage Papier geklebt und folglich ist, wie auch schon Helwig erkannte, das Papier der Träger der Malschicht.
Im Anhang in Tabelle 2 sind die Ergebnisse der Untersuchungen des Gestelles und der Achse (Abb. 5) zusammengestellt. Vergleiche hierzu den Aufsatz von Roland Schewe in diesem Band.
Nach dem Entfernen der Achse bot sich zur näheren Untersuchung der Globusinnenseite die Endoskopie an. Dieses allgemeine Diagnoseverfahren ermöglicht die unmittelbare Betrachtung von Hohlräumen mit Hilfe eines Endoskopes.
Ergebnisse dieser Einblicke mit einem starren Rohr sind in den Abbildungen 6 bis 9 zu sehen. Deutlich sind die Leinwandstruktur, Nähte, ein roter Papierring, Holzteilchen und Leimspuren zu sehen. Im Nachhinein muß jedoch festgestellt werden, daß sich auf Grund der Geometrie des Erdapfels ein Fibroskop, eine aus Glasfaserbündeln bestehende biegsame Faseroptik, besser geeignet hätte. Die Interpretation einiger Beobachtungen, wie z. B. die Leimspuren in Abbildung 8 oder das Holzteilchen in Abbildung 9, waren zu diesem Zeitpunkt noch unklar. Nach den computertomographischen Untersuchungen ergab sich eine Zuordnung.
Abb. 6 Innere Leinwand mit Nähten
Abb. 7 Auf der Innenseite angebrachter, rot
gefärbter Papierstreifen
Abb. 8 Leimspuren auf der inneren Leinwand
Abb. 9 In den Innenraum ragender Holznagel neben
dem Papierstreifen
Dies zeigt, daß es in der Untersuchung von Kunstwerken nicht die Methode gibt, sondern nur im Zusammenspiel verschiedener Methoden Klärung erzielt werden kann.
Die unmittelbare Nähe zur Siemens AG, Bereich Medinzinische Technik, in Erlangen machte es möglich, daß an den modernsten Geräten der Globus untersucht werden konnte.
Abb. 10 Behaim-Globus mit Adapter für
CT-Untersuchungen (Bildunterschrift im Original vertauscht!)
Abb. 11 Blick vom Steuerpult in den Untersuchungsraum
(Bildunterschrift im Original vertauscht!)
In der Humanmedizin ist die Computertomographie (CT) ein seit 1972 eingeführtes Verfahren der Röntgenuntersuchung. Es erlaubt eine direkte Darstellung des Untersuchungsobjektes mittels eines Monitors.
Mit einem dünnen, fächerartigen Röntgenstrahlbündel wird der zu untersuchende Gegenstand schichtweise aus allen Richtungen senkrecht zur Längsachse abgetastet. Die modernen Geräte arbeiten mit 1 mm Schichtdicke und einem Auflösungsvermögen von etwa 0,5 mm. Dabei wird die jeweilige Röntgenstrahlabsorption in den verschiedenen Volumeneinheiten mittels Strahlendetektoren gemessen und die Meßdaten an einen Computer weitergegeben. Dieser baut aus einigen Millionen Einzeldaten sekundenschnell ein Fernsehbild, das Computertomogramm, auf (Abb. 10 - 11).
Abb. 12 Tomogramm des Behaim-Globus nahe der
Achse. Erkennbar sind die Konstruktion und die Deformation des
Südpols
Abb. 13 3-D-Rekonstruktion des dritten Holznagels
und eines Nähfadens
Abb. 14 Der Erdapfel beim Eintritt in die
Gantry-Öffnung
Das Tomogramm liefert uns die Absorptions- bzw. Dichteverteilung in einem Querschnitt (Abb. 12). Im Gegensatz zur normalen Röntgenaufnahme entstehen überlagerungsfreie Abbildungen, die gespeichert oder auf Photofilm photographiert werden können. Ebenso sind Ausschnittsvergrößerungen, Verlagerung der Schnittebene oder 3-D-Rekonstruktionen (Abb. 13) möglich 16.
Auf Grund ihrer Größe und der benötigten Rechnerkapazitäten ist es heute noch erforderlich, daß die Untersuchungsgegenstände zum Computertomographen gebracht werden. Den Behaim-Globus betreffend, wurde die Untersuchung am 3. Juni 1992 in Erlangen vorgenommen. Zur Sicherheit erfolgte der Transport am Vormittag vom Germanischen Nationalmuseum Nürnberg nach Erlangen und am Nachmittag zurück unter restauratorischer Betreuung und Polizei-Geleitschutz.
Für die Untersuchungen am Somatom Plus S wurde für den Globus ein spezieller Adapter benötigt, da die Gantry-Öffnung von 70 cm und das Meßfeld von 50 cm voll ausgenutzt wurde (Abb. 14).
Die analytischen und endoskopischen Untersuchungen wurden durch computertomographische Untersuchungen ergänzt (Abb. 12, 13, 15 - 18). Mit deren Hilfe konnten wichtige Erkenntnisse sowohl über den Erhaltungszustand des Erdapfels als auch über seine Herstellungstechnik gewonnen werden. Da der gesamte Globus im Abstand von einem Millimeter gescant wurde, sind alle Schäden archiviert und auf Filmmaterial dokumentiert worden. Durch die maßstabsgetreue Abbildung der Untersuchungsergebnisse ließen sich neben dem Umfang der Schädigungen auch deren Größe exakt vermessen (s. Anhang, Tab. 3). Die Vermessung der Kugelgeometrie wurde von Kraus mit Hilfe der Photogrammetrie vorgenommen 17. Die einzelnen Tomogramme zeigen uns Querschnitte durch den Erdapfel (Abb. 12).
Abb. 15 Scan 297: In der Kugelrundung.
Außergewöhnlich gut sind die Gewebestruktur, die
Bindungsart und die Fadensträrken zu erkennen
Abb. 16 Aus dem Querschnitt durch die Globuskugel
läßt sich der technologische Aufbau ablesen: 5 Lagen
Leinwand, die Pergamenthaut und das Papier mit Farbfassung. Deutlich
sichtbar ist auch die Überlappung der Pergamentsegmente
Abb. 17 Computerbild der Vermessung der einzelnen
Schichten
Wenden wir uns zuerst dem Aufbau der 1,31 mm starken Schale zu. Betrachtet man die letzten Scans an den Kugelrundungen, zeichnet sich in ungewöhnlicher Deutlichkeit ab, daß die Kugel aus Gewebe durch Laminierung aufgebaut wurde (Abb. 15). Als Webmuster kann ohne Schwierigkeiten in allen Fällen eindeutig Leinenbindung identifiziert werden und in der Vergrößerung kann der Aufbau in fünf Lagen sichtbar gemacht werden (Abb. 16). Bei weiterer Vergrößerung lassen sich die einzelnen Schichten vermessen (Abb. 17).
Anhand der Computerbilder ist es aber nicht möglich, durch die Ähnlichkeit der Fäden zwischen Kette und Schuß zu unterscheiden.
Die innerste Lage ist mit einer Fadenzahl von 7 x 7 und die vier folgenden mit einer Fadenzahl von 6 x 6 gewebt. Die Fadenstärke der inneren Leinwand ist mit 1,55 mm geringfügig dünner, als die der anderen vier Lagen (1,62 mm). Die Lagen 2 bis 5 sind auf Stoß verklebt während die innere vernäht ist (Abb. 6).
Das Pergament bildet sich nicht so markant ab, wie die Leinwand. Während auf den Röntgenphotos der Verlauf und die charakteristische Form der Nähte deutlich zu sehen ist (Abb. 2), erlaubt das Tomogramm darüber keine Aussagen, jedoch über die Verbindung der einzelnen Pergamentsegmente (Abb. 16).
Die beiden benachbarten Segmente überlagern sich etwa 5 mm. Aus diesen Ergebnissen läßt sich die Naht rekonstruieren: Zieht man eine Schlinge über diesen Überlagerungsbereich, wird das Pergament zusammengezogen. Jeweils im Bereich einer Schlinge kommt es zu einer Verengung, was sich an der Oberfläche dann wie eine Perlenschnur markiert (Abb. 2)
Nachdem nun Klarheit über den Aufbau der Kugelhälften besteht, wenden wir uns dem Problem der Verbindung der beiden Kugelhälften zu. Auch hier bringt die Vergrößerung der Scans Klarheit (Abb. 18).
Zwischen der ersten und zweiten Lage Leinwand befindet sich in der nördlichen Halbkugel ein etwa 10 mm dicker und 90 mm breiter Holzring. Er ist in der Krümmung verjüngt. Dieser Holzring ist im Überlappungsbereich um die Hälfte gedünnt und verklebt. Von innen her wurde nun die vernähte Leinwand eingeklebt, wie auch Leimspuren auf der Innenseite zeigen (Abb. 8).
Die südliche Halbkugel wurde auf die nördliche über den Holzreif gestülpt und mit drei Holznägeln von außen fixiert (Abb. 18).
Zwei Nägel lagen in der Schnittebene, der dritte Nagel wurde mit 3-D-Rekonstruktion (Abb. 13) abgebildet. Die Vermessung ergab, daß zwei relativ gut übereinstimmen und der dritte davon abweicht (s. Anhang, Tab. 3).
Diese Art der Konstruktion weicht von den bisher in der Literatur beschriebenen ab. Sie verleiht dem Globus eine relativ gute Stabilität und einen für sein Alter guten Erhaltungzustand. Zur Verbesserung der statischen Probleme des Erdapfels, vor allem wegen der Belastung der Südpolregionen (Abb. 12) bei der Präsentation, ist jedoch eine spezielle Hängekonstruktion dringend erforderlich.
Der Erdapfel ist in seinem Erhaltungszustand vollständig erfaßt. Die Ergebnisse sind dokumentiert und jeder Wert archiviert. Als neue Erkenntnisse konnte die Palette des Malers Glockendon hinzugefügt werden und als wesentlicher Beitrag konnte der Herstellungstechnik ein Stück näher gekommen werden. Rekonstruieren wir diese unter Einbeziehung der neuen Ergebnisse, so liest sich das folgendermaßen:
Auf eine Lehmkugel brachte man als Laminat vier Lagen Leinwand auf. Nach dem Erhärten wurde die Kugel im Äquatorbereich getrennt, in die Nordhalbkugel der Holzring eingebracht und in beide Kugelhälften von innen her eine genähte Leinwand eingeklebt. Sie ist nicht am Äquator getrennt, sondern die der Nordhalbkugel geht über den Holzring hinweg und läuft in der Fuge zwischen Holzring und Südhalbkugel zurück (Abb. 18). Das Gewebe ist Leinen. Dies läßt sich sowohl aus den Ergebnissen der eigenen und den von Helwig durchgeführten Faseranalysen als auch aus den Auswertungen der Tomogramme ableiten.
Aus einer Hochrechnung lassen sich in etwa der Verbrauch an Leinwand für die fünf Schichten der "Leinenkugel" mit neunmal 0,75 m^2 und einmal 0,9 m^2 angeben. Darüber befindet sich ein Mantel aus Pergament, bei dem die einzelnen Segmente ca. 5 mm überlappend vernäht sind. Als Malgrund ist auf dem Pergament ein Papier aufgeklebt, das vor der Bemalung mit einer Leimschicht versehen wurde. Darauf sind die Farben direkt ohne Grundierung vermalt. Nach dem Zusammenbau der beiden Halbkugeln wurden die Kugelhälften durch drei Holznägel fixiert.
Die nach dem Trennen der Kugel paßgenauen Hälften, veränderten sich durch das Einbringen des Holzringes und das unterschiedliche Alterungsverhalten. Dies wurde durch das Umschlagen der inneren Leinwand über den Holzring und das Einbringen von Kittmassen ausgeglichen (Abb 18).
Abb. 18 Verbindungsstelle der beiden
Kugelhälften am Äquator. Der technologische Aufbau von
innen: 1. vernähte Leinwand, 2. Holzring, 3. 4 Lagen Leinwand,
4. Pergament, 5. Papier, 6. Bemalung und die Fixierung durch einen
Holznagel
Der Firma Siemens AG und den Mitarbeitern des Bereiches
Medizintechnik Erlangen sei an dieser Stelle für die
großzügige Unterstützung der computertomographischen
Untersuchungen sehr herzlich gedankt. Besonderer Dank gilt den Herren
P. Weber und H. Brunner ohne deren Bereitschaft und Entgagement diese
Arbeit nicht zur Ausführung gelangt wäre.
1 C.J. Socarras: Alfonso X of
Castile. Barcelona 1975.
2 E.L. Stevenson: Celestrial and
Terrestrial Globes. Bd. I. New Haven 1921, S. 40.
3 Johannes Petz: Urkundliche
Beiträge zur Geschichte der Bücherei des Nürnberger
Rates, 1429 - 1538. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte
der Stadt Nürnberg 6, 1886, S. 123-174. Vgl. den Aufsatz von
Johannes Willers: Die Geschichte des Behaim-Globus, in diesem Band.
4 Friedrich Wilhelm Ghillany:
Geschichte des Seefahrers Ritter Martin Behaim nach den ältesten
vorhandenen Urkunden bearbeitet. Nürnberg 1853, S. 73.
5 Siegmund Günther: Martin
Behaim. Bamberg 1890, S. 37.
6 Richard Uhden: Die Behaimsche
Erdkugel und die Nürnberger Globentechnik am Ende des
15. Jahrhunderts. In: E.J. Brill (Hrsg.): Comptes rendus du congrés
international de géographie Amsterdam 1938. Bd. 2. Leiden 1938,
S. 197.
7 Oswald Muris: Der Globus des
Martin Behaim. Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft Wien 97,
1955, S. 169-182, hier S.170.
8 Otto Wächter: Die
Instandsetzung von Globen. In: Der Globusfreund 1960, S. 37.
9 Friedemann Hellwig: Zur
Herstellungstechnik des Behaim-Globus. In: Humanismus und
Naturwissenschaften, hrsg. von Rudolf Schmitz und Fritz Krafft
(Beiträge zur Humanismusforschung, Bd. 6). Boppard 1980,
S. 207-210.
10 F. Hellwig (Anm. 9), S. 208.
11 F. Hellwig (Anm. 9), S. 209.
12 Hans Schmidt: Die alte Welt
neu entdeckt - Die elektronische Wiedergeburt des Martin Behaim
Globus. In: Bild der Wissenschaft 1992, Heft 2, S.16-21.
13 Bernd Hering: Zum Einsatz
ultramikroanalytischer und dünnschicht-chromatographischer
Methoden bei der Identifizierung von Bindemitteln auf Objekten der
bildenden und angewandten Kunst. Diss. Dresden 1981. - Hans-Peter
Schramm u. Bernd Hering: Historische Malmaterialien und ihre
Identifizierung. Graz 1988.
14 Thomas Brachert:
Patina. Vom Nutzen und Nachteil der Restaurierung. München 1985.
15 Doris Oltrogge und Robert
Fuchs: Naturwissenschaftliche Untersuchungen an historischem
Pergament. International Leather and Parchmentsymposium. Offenbach
1989, S. 104-115.
16 Joachim Alexander, Willi
Kalender u. Gerhard Linke: Computertomographie. München 1985. -
Die andere Computertomographie (Firmenschrift Siemens AG, Bereich
Medizinische Technik). Erlangen 1987.
17 Zur Vermessung der
Kugelgeometrie s. den Aufsatz von Karl Kraus in diesem Band.