in: Bott, G.; Willers, J. (Hrsgb.): Focus Behaim-Globus. Ausstellungskatalog, 2 Bde., Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Nürnberg, Dezember 1992.
Die großen Entdeckungsfahrten haben das traditionelle Weltbild Europas innerhalb kurzer Zeit verändert und die ptolemäische Ökumene erweitert. Bereits um die Mitte des 16. Jahrhunderts waren rund ein Drittel der Erde für Europa entschleiert. Noch aber lag die Küstenfiguration des nördlichen Nordamerika im Dunkel. Noch herrschte völlige Unklarheit über die "Terra australis", den rätselhaften Südkontinent. Bei den Entdeckungsreisen trat zunächst eine Phase der Beruhigung ein. Die Schiffahrt richtete sich vor allem auf den Ausbau der Verbindungen und Handelswege. Die Aktivitäten der Europäer zielten besonders auf die Suche nach einem kürzeren Seeweg nach Indien im Norden der Kontinente. Zugleich verschoben sich in Europa allmählich die Machtverhältnisse. An die Stelle von Portugal und Spanien traten nun die Holländer und Engländer. Die Vernichtung der Spanischen Armada im Jahre 1588 war das Zeichen für den Beginn einer neuen politischen und geistig-kulturellen Ära.
Das geographische Wissen und die Vorstellungen von der Erde wurden am Ende des 16. Jahrhunderts in den großen Atlaspublikationen von Abraham Ortelius und Gerard Mercator zusammengefaßt. Ihre Weltkarten überwinden endgültig die ptolemäische Tradition, auch wenn darin weiterhin legendenhafte überlieferte Elemente fortgeschrieben werden.
Abraham Ortelius gab 1570 in Antwerpen, betreut von der bedeutenden Druckerwerkstatt Plantijn, mit seinem "Theatrum Orbis Terrarum" den ersten systematischen Weltatlas heraus. Er ersetzte alle bisherigen Kartensammlungen und erlangte, in mehreren Sprachen in ganz Europa verbreitet, große Popularität. Die Idee von Ortelius war, die Karten nach einheitlichen formalen Gesichtspunkten, so z. B. auch im gleichen Format (50 x 65 cm), zu gestalten. Ortelius stellte Material von den besten Fachleuten aller Länder zusammen, die er in einem Autorenverzeichnis sorgfältig aufführte. In der Erdkarte sind die Ergebnisse der bisherigen Entdeckungen ausgewertet (Abb. 1). Doch wies Ortelius darauf hin, daß sich durch aktuelle Informationen jederzeit Änderungen ergeben könnten. Diese hat er in den schnell folgenden weiteren Auflagen seines Atlasses durch Berichtigung der alten und Hinzufügung neuer Karten berücksichtigt. Das Titelkupfer zu dem Weltatlas stellt in allegorischer Form geographisches Weltbild und Weltordnung vor: die Erdteile verkörpert durch Frauenfiguren, mit Europa in der Pose der Herrscherin über die anderen Erdteile und Amerika zu ihren Füßen.
Bereits 1569 hatte Gerard Mercator, der bedeutendste Kartograph des 16. Jahrhunderts, seine berühmte Weltkarte herausgebracht. Er wandte dafür erstmals die Projektion an, die fortan mit seinem Namen verbunden wurde. Sie bedeutete einen Fortschritt für die Seefahrt, da sie es ermöglichte, mittels der Loxodrome den richtigen Kurs festzulegen. Die Mercatorprojektion findet bis heute speziell für Seekarten Verwendung. Bereits auf seinem Erdglobus von 1541 (Kat.-Nr. 2.33), der in der Tradition des Instrumentenbaus an der Universität Löwen und in der Fortsetzung der Arbeiten seines Lehrers Gemma Frisius entstanden war, hatte Mercator die Loxodromen eingetragen. Weltkarte und Globus sind vor allem wegen der Genauigkeit des Gradnetzes von Bedeutung für die Gestaltung des Erdbildes geworden. Das geographische Wissen seiner Zeit vereinte Mercator in einer Sammlung von Karten, für die er den Namen "Atlas" einführte. (1)
Der Atlas enthält eine Karte des Nordpolargebietes, mit der ein Markierungspunkt in der arktischen Kartographie gesetzt wurde (Abb. 2). Der arktische Bereich war in seinen europafernen Teilen noch völlig unbekannt. Mercator faßte die überlieferten theoretischen Vorstellungen zusammen und deutete mit der Einbeziehung erster konkreter Entdeckungen bereits die zukünftige Entwicklung an. Nach der Aussage mittelalterlicher Quellen ist der Nordpol als schwarzer hoher Felsen ("rupes nigra et altissima") inmitten des arktischen Ozeans eingezeichnet. Das Polarland besteht aus vier Inseln, die von Pygmäen bewohnt sein sollen. Die Bezeichnungen Frobisher-Straße ("fretum Frobisher") und Davis-Straße ("fretum Davis") weisen auf die frühen Fahrten der Engländer um 1580 hin. Die Suche eines nördlichen Seeweges nach Ostasien bestimmte die Unternehmungen der Zeit. Mercators Kartographie von allseits offenen Gewässern im Norden konzipierte die Möglichkeit von nördlichen Routen, die zudem kürzer erschienen als die bisherigen von Spaniern, Portugiesen und Holländern eingeschlagenen Wege im Süden. Der Handel mit Südostasien wird damit zu einem wichtigen Motiv für die Erforschung der arktischen Gebiete.
Unsicherheit und fehlende Kenntnisse zeigen sich beispielsweise auch in Mercators Eintragung einer nicht existierenden Insel "Frisland"; sie sollte noch längere Zeit die Karten bereichern. Grönland war bereits auf einer Karte von 1427 dargestellt, die auf den Dänen Claudius Clavus zurückgeht. In Mercators Nordpolarkarte ist diese größte Insel der Erde gleich zweimal eingetragen ("groenland" und "groclant"). Verschiedene Kartographen haben Grönland auch als Halbinsel aufgefaßt, die entweder mit dem eurasiatischen oder dem amerikanischen Kontinent verbunden ist.
Handel und Fischerei, die sich seit dem 17. Jahrhundert in den arktischen Gebieten kräftig entwickelten, haben einen wichtigen Teil zur Verbreitung der Kenntnisse beigetragen. Der Hamburger Kaufmann und Bürgermeister Johann Anderson gab seinen "Nachrichten von Island, Grönland und der Straße Davis" (Hamburg 1746) eine Karte von Grönland bei, als deren Quellen er Berichte von Kaufleuten und Seefahrern nennt, die im Auftrag der Grönländischen Handelsgesellschaft in Bergen oder des dänischen Königs in den dänischen Kolonien gewesen waren. Auf der Karte werden die nördlichen Küsten Grönlands, über die es noch keine gesicherten Erkenntnisse gab, offen gelassen und vom Kartenmacher durch die Titelkartusche geschickt verdeckt. Erst in den Jahren 1891 bis 1902 konnte Robert E. Peary, der spätere Nordpolbezwinger, die Nordküste erforschen und den Inselcharakter Grönlands endgültig bestätigen. Mit der wissenschaftlichen Erforschung des Inneren von Grönland ist vor allem der Name Alfred Wegener verbunden. Die von ihm geleitete Deutsche Grönlandexpedition 1929 bis 1931 hatte die Aufgabe, systematische Beobachtungsreihen während des Polarwinters durchzuführen. Die Untersuchungen erfolgten in einem Profil quer über das Inlandeis und zum ersten Mal auch ganzjährig auf dem zentralen Inlandeis. Es bedeutete eine revolutionierende Vorstellung, als Martin Waldseemüller 1507 auf seiner Weltkarte zwischen Europa und Ostasien einen neuen, für die Europäer unbekannten Erdteil eingetragen hat (Kat.-Nr. 2.23). Von Australien, dem fünften Kontinent, gaben europäische Karten bis in das 17. Jahrhundert keine Kunde. Die Inseln und Küsten, die europäische Seefahrer bereits gesichtet hatten, wurden als Teil eines unbekannten Südlandes, der "Terra Australis incognita", angesehen. Bereits in der Antike hatte man die Idee vertreten, daß es als Gegengewicht zu den nördlichen Ländern auf der Südhalbkugel ebenfalls eine entsprechende Landmasse geben müsse. Ein riesiger Südkontinent gehörte zu den zentralen Vorstellungen der Renaissance-Geographie und wurde durch die Kartenbilder einflußreicher Kartenmacher verbreitet. Charakteristisches Beispiel ist die Weltkarte des Ortelius (Abb. 1) mit dem noch unbekannten Südland ("Terra australis nondum cognita"). Feuerland ("Terra del Fuego"), das Magellan 1520 gesichtet hatte, wird bei Ortelius als Teil dieses Südlandes begriffen. Auf vielen Karten wird der Name "Magellanica" zum Synonym für die Terra Australis. So nannte auch Peter Plancius auf seiner Weltkarte von 1594 ein riesiges Südland, das mit Neuguinea verbunden ist. Die Karte basiert auf kartographischem Material der portugiesischen Seefahrer, das die Grundlage für die holländischen Fahrten im indopazifischen Raum bildete.
Mit den Fahrten der Holländer im Dienste der Niederländischen Ostindienkompanie (VOC) mehren sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts die Informationen in diesem Bereich. Die ersten Karten mit Angaben von der australischen Küste stammen von Hessel Gerritsz, 1617 bis 1632 offizieller Chefkartograph von VOC in Amsterdam. Seine Karte von 1622 zeigt zum ersten Mal den 1616 von holländischen Seefahrern mit dem Schiff "d'Eendracht" entdeckten Abschnitt der australischen Westküste. (2)
Auch die weiteren Resultate der holländischen Fahrten im Indischen und Pazifischen Ozean wurden in die Karten der Amsterdamer Kartenmacher eingearbeitet. 1642/43 und 1644 führte Abel Tasman seine erfolgreichen Fahrten durch. Er entdeckte "Van Diemen's Land" (Tasmanien), das er nach dem holländischen Gouverneur von Batavia genannt hat, und "Staten Land" (Neuseeland). Auf den Karten aus der Offizin Blaeu wird das Gebiet mit "Hollandia Nova" bezeichnet und hinzugesetzt, daß es 1644 entdeckt worden sei (Abb. 3) (3). Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde auf den Karten der Name Australien eingeführt und verdrängte den alten Begriff. Die Terra Australis ist allmählich aus den Weltkarten verschwunden, doch haben erst die Fahrten von James Cook den Mythos von einem großen Südland endgültig beenden können.
Die Expeditionen von James Cook (1728-1779), die den Beginn der wissenschaftlichen Forschungsreisen markieren, trugen entscheidend zur Kenntnis von der Erde bei. Seine umfangreichen Vermessungsarbeiten und Kartierungen waren von grundlegender Bedeutung für die Berichtigung des Kartenbildes, besonders im Pazifischen Raum. Cooks Fahrten zerstörten die Vorstellung von der Existenz eines riesigen Südlandes und schränkten die antarktische Landmasse auf den inneren Polarkreis ein: Ausgangspunkt für moderne Antarktisforschung.
Cooks Reisen brachten auch Klarheit über die Küstenverläufe des australischen Bereiches. Er erforschte die bis dahin unbekannte Ostküste Australiens, entdeckte die Meeresstraße zwischen Neuguinea und Australien neu und kartierte die Küsten Neuseelands. Der deutsche Naturforscher Georg Forster, der Cook auf seiner zweiten Reise (1772-1775) begleitet hat, formuliert in seinen Berichten, daß es sich bei der nun bekannten Landmasse um einen selbständigen Erdteil handeln müsse. (4)
Auf seiner dritten Expedition 1778 hatte Cook auch die Aufgabe, eine Verbindung zwischen Pazifik und einer Nordwestpassage zu erkunden. Bereits die Expeditionen unter Vitus Bering (1725-1743) hatten den endlichen Beweis für die Trennung zwischen dem asiatischen und dem amerikanischen Kontinent gebracht. Die nun "Beringstraße" genannte Durchfahrt nach Norden erschien bereits auf den Karten von Sebastian Münster und auf der Zaltierikarte von 1566 unter der Bezeichnung "Anianstraße". Sie wurde von vielen Kartographen übernommen, ohne daß es von Bering einen Beweis für ihre Existenz gegeben hätte.
Anderseits entstand gerade im Gefolge der Bering-Expeditionen eine Kontroverse über die Kartographie dieses Bereiches. Nicolas Delisle und Philippe Buache entwickelten in einer Reihe von Karten ihre Theorie über das nordwestliche Amerika und die arktischen Verbindungswege. Der deutsche Historiker Georg Friedrich Müller, der längere Zeit an der Akademie der Wissenschaften in Petersburg gewesen war und Bering auf seiner zweiten Kamtschatka-Expedition begleitet hatte, brachte in einer 1758 erstmals veröffentlichten Karte die eigentlichen Ergebnisse der Bering-Expeditionen (Abb. 4). Seine Zeichnung des Küstenverlaufes hält sich an die vorhandenen Kenntnisse, Unklarheiten werden mittels gepunkteter Linien angedeutet.
Im Verlauf des 19. Jahrhunderts, der großen Zeit der Polarforschung, werden zwei grundlegende Ziele der jahrhundertelangen Bemühungen in den Polargebieten erreicht. Adolf Erik Nordenskiöld hat 1878-1880 mit seiner Vegafahrt die Nordost-Durchfahrt im Norden des asiatischen Festlandes praktisch verwirklicht. Und 1850-1853 fand McClure auf der Suche nach der verschollenen Franklin-Expedition die Nordwestpassage und beendete endgültig alle Widersprüchlichkeiten und Spekulationen in dieser Frage. Bereits am 11. Oktober 1853 brachte das Hydrographische Amt der britischen Admiralität eine Karte der Meeresdurchfahrt im Norden Amerikas heraus. Carl Ritter schrieb in der Zeitschrift für Allgemeine Erdkunde 1853: "Mit der McClure gelungenen Auffindung der Nordwest-Passage zwischen dem Atlantischen und Stillen Ocean ist so die lange Reihe der Forschungen rund um den Continent von Amerika endlich zum Abschluß gekommen." (5)
Neben den Forschungsreisen muß erwähnt werden, welche Bedeutung die Entwicklung der Wissenschaften für die Veränderung des geographischen Weltbildes hatte. Exakte Vermessungen und Detailkartierung konnten die kartographische Darstellung der Erde kontinuierlich berichtigen.
Die genaue Festlegung eines Ortes im Breiten- und Längengradsystem hat die Wissenschaftler bis in unser Jahrhundert beschäftigt. Während die Bestimmung der geographischen Breite schon früh mit relativer Genauigkeit gelang, stellte die Längenmessung vor erhebliche Probleme. (6) Die Bemühung um die qualitative und quantitative Verbesserung der Ortsbestimmungen läßt sich direkt an Karten aufzeigen.
Johann Keplers "Tabulae Rudolphinae" von 1627 (Kat.-Nr. 1.34) enthalten einen Ortskatalog mit den Positionen von 530 Orten. Zur kartographischen Veranschaulichung ließ Kepler dazu von Philip Eckebrecht eine Weltkarte anfertigen (Kat.-Nr. 2.41). Der Bezugsmeridian wurde von Kepler durch Tycho Brahes Sternwarte Uranienborg festgelegt.
Verschiedene der Atlanten aus dem Nürnberger Verlag Homann enthalten die Erddarstellung "Basis geographiae recentioris astronomica" von Johann Gabriel Doppelmayr, entstanden zwischen 1715 und 1724. In Tabellen führte Doppelmayr 142 Ortspositionen mit ihren astronomischen Daten und dem Namen des verantwortlichen Astronomen an. Dazu gibt Doppelmayr Erläuterungen zu den Längenbestimmungen und der Festlegung des Bezugsmeridians von Jean-Dominique Cassini, der 1669 zum Direktor des neuen Pariser Observatoriums berufen worden war. Cassinis verbesserte Berechnungen der Jupiterplanetenbewegung hatten erstmals genauere Längenbestimmungen ermöglicht.
Die 1666 gegründete Pariser Akademie der Wissenschaften widmete sich der Aufgabe, die Gestalt der Erde und ihre Oberflächenkonfiguration mit verbesserten Methoden und neuen Instrumenten zu erfassen. Die aufsehenerregenden Vermessungsexpeditionen von Charles de La Condamine in das Äquatorgebiet (Peru) 1735 und von Pierre de Maupertius jenseits des Polarkreises (Lappland) 1736/37 bewiesen die Theorie von der sphäroidischen, an den Polen abgeplatteten Gestalt der Erde.
Anhand der vorliegenden Messungen und des reichen Beobachtungsmaterials leiteten die französischen Kartographen um 1700 eine Reformierung des Kartenbildes ein. So vermittelte Guillaume Delisle (1675-1726) auf seinen Karten durch die berichtigte Darstellung von Lage und Umrißgestalt der Kontinente und Verbesserung der Flußsysteme ein neues Kartenbild der Erde. Der Karteninhalt wurde insgesamt reicher und zugleich von den überlieferten fantasievollen Zugaben bereinigt. Man fand nun den Mut, auch einmal weiße Flecken in den noch unerforschten Gebieten zu belassen.
Noch für lange Zeit unbekannt blieb der Meeeresboden. Zunächst waren vor allem die flachen Küstengewässer, die für Küstenschiffahrt und Fischerei eine wichtige Rolle spielten, von größerem Interesse. Die Untersuchungen in diesen Bereichen hatten aber meist nur lokale Bedeutung. So dienten z.B. die Tiefenangaben, die der preußische Domänenrat Johann Christian Brandes 1744 auf einer handgezeichneten Küstenkarte von Pommern eintrug, im Zusammenhang mit weiteren Informationen als Planungsunterlage für die amtlichen Stellen im Staate Friedrichs des Großen. Erste gedruckte Karten mit Darstellung der Tiefenverhältnisse mittels Tiefenlinien gaben Auskunft über wichtige Gewässer. 1730 wurde die Karte des niederländischen Landmessers Nicolas Cruquius vom Mündungsgebiet der Maas vorgelegt. Eine Karte mit Tiefenlinien des Ärmelkanals zwischen Dover und Calais, die Philippe Buache 1737 entworfen hatte, wurde 1752 veröffentlicht.
Getragen vom staatlichen Interesse setzte gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein stetiger Aufschwung der Meeresforschung ein. In Deutschland widmete sich Ferdinand von Richthofen der Entwicklung der jungen Wissenschaft. Nach seinen Vorschlägen wurde 1900 an der Berliner Universität ein Institut für Meereskunde eingerichtet, das zunächst in enger Verbindung mit der Geographie stand.
Eine systematische Untersuchung des Meeresbodens begann aber erst in der Mitte unseres Jahrhunderts. Durch fortlaufende Meßfahrten und Verbesserung der erdmagnetischen Aufzeichnungen konnte ein zusammenhängendes untermeerisches Gebirgssystem festgestellt werden. (7) Die Kenntnisse über die Strukturformen des Meeresbodens stützen sich auch auf eine Grundlage für Theorie der Plattentektonik und des seafloor spreading.
Im 19. Jahrhundert hat man begonnen, das vielfältige Wissen von der Erde in seiner räumlichen Verteilung und Struktur systematisch zu erfassen und auf Karten darzustellen. Geologische Bauelemente und meteorologische Daten, wirtschaftliche Verhältnisse und ethnographische Faktoren werden in Karten sichtbar. Die stürmische Entwicklung der naturwissenschaftlichen Forschungen und die Zunahme der statistischen Erhebungen - viele Staaten begannen regelmäßig Volkszählungen durchzuführen - ergaben ein stetig wachsendes Material. Die Wiedergabe thematischer Sachverhalte über die Erdoberfläche vermittelte ganz neue Erkenntnisse von der Erde und verdeutlichte Strukturen und Zusammenhänge. Von Carl Ritter und Alexander von Humboldt, den Begründern der modernen wissenschaftlichen Geographie, kamen wesentliche Impulse für die Entwicklung der thematischen Karten.
Alexander von Humboldt gab auch die Anregungen für die Konzeption des ersten thematischen Weltatlasses. Der "Physikalische Atlas", der 1837-1848 von dem Potsdamer Kartographen Heinrich Berghaus herausgebracht wurde, war der Versuch, das damalige Wissen von der Erde zusammenzufassen und kartographisch darzustellen. In 90 Karten sind die Erscheinungen von Klimatologie, Hydrographie, Geologie, Magnetismus, Pflanzengeographie, Tiergeographie, Anthropogeographie und Ethnographie in ihrer Verbreitung und Verteilung auf der Erde behandelt. Die Karte zur Pflanzengeographie (Abb. 5) aus dem Atlas zeigt besonders deutlich den Einfluß Alexander von Humboldts. Dargestellt ist die globale Verbreitung der Pflanzen auf der Erde sowie die Höhenstufen der Vegetation in den verschiedenen Klimazonen.
Die Raumfahrttechnik hat auch für die Erkundung der Erde eine neue Entwicklung eingeleitet. So werden die Weltraumbilder mit Recht als eine dritte Entdeckung der Erde bezeichnet (8). Seit den Gemini-Raumflügen 1965 sind Satellitenbilder entstanden. Das gewonnene Material hat inzwischen längst die Million überschritten. Es liegen Aufnahmen praktisch von jedem Punkt der Erde vor. Die Erderkundungssatelliten liefern die Informationen von optischen und elektromagnetischen Signalen als photographische Aufnahmen oder in Form von numerischen Daten. Sie erfordern in jedem Fall eine Interpretation durch die Geowissenschaftler und Kartographen.
Seit 1972 übermitteln die ERTS-Satelliten der amerikanischen Landsat-Reihe Daten aus ca. 900 km Flughöhe. In Europa können die Daten von drei Bodenstationen erfaßt werden (Kiruna/Schweden, Maspalomas/Spanien, Fucino bei Rom). Die französischen SPOT-Satelliten (1986, 1990) sind sogar in der Lage, durch ihre neuartige Stereo-Aufnahmetechnik Reliefbilder zu liefern. Das Seasat-Programm sammelt Daten mit einem aktiven Radarsystem im ozeanischen Bereich, beispielsweise über Meeresströmungen, Wellenbewegungen, Eisverhältnisse.
Die Beobachtungssatelliten der amerikanischen Space-Shuttle und der Sojus-Mission der ehem. UdSSR lieferten photographische Aufnahmen aus einer Flughöhe von circa 250 km. 1983 war in der Raumfähre "Columbia" eine Reihenmeßkammer von Zeiss, Oberkochen, eingesetzt. Die Bilder im Format 23 x 23 cm erfaßten jeweils eine Fläche von 184 x 184 km. Sie sind anwendbar für Karten bis zum Maßstab 1:50.000.
Geostationäre Satelliten wie der europäische "Meteosat" übermitteln aus einer äquatorialen Umlaufbahn aus 36.000 km Höhe Daten zur Bodenstation. Die Bilder erfassen etwa ein Drittel der Erdoberfläche und werden stündlich aufgezeichnet. Sie geben Auskunft über die globale Verteilung der Wolkensystene und meteorologischen Phänomene, wie z.B. Niederschlag und Verdunstung. Die Daten bilden die Grundlage für die europäischen Wetterdienste. Tägliche Satellitenbild-Wetterkarten werden z.B. vom Institut für Meteorologie der Freien Universität Berlin herausgegeben. Die Informationen aus dem Weltraum ermöglichen es, Veränderungen auf der Erde stets aktuell festzustellen und auch schwer zugängliche Gebiete mit großer Genauigkeit zu erfassen. So kann die Fernerkundung sicher auch erfolgversprechend in der Antarktisforschung eingesetzt werden (9). Die Fülle und Bandbreite der Satellitendaten sind ein wesentlicher Beitrag zur Kenntnis unserer Umwelt und erlauben die Sicht auf globale Erscheinungen. Sie bilden damit ein grundlegendes Instrumentarium für die zukunftsorientierte Planung und Überwachung unserer Umwelt.
(2) Handzeichnung von Hessel Gerritsz, 1622 (Kartenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin).
(3) Die Darstellung wurde von anderen niederländischen Kartenmachern übernommen. So zeigt die Abbildung 3 einen Ausschnitt aus einer Weltkarte von Covens & Mortier, um 1700.
(4) Georg Forster: Johann Reinhold Forster's Reise um die Welt während den Jahren 1772 bis 1775... Beschrieben und herausgegeben durch dessen Sohn und Reisegefährten. Berlin 1778-1780.
(5) Carl Ritter: Die Auffindung der Nordwest-Passage durch Capitain M'Clure. In: Zeitschrift für Allgemeine Erkunde 1, 1853, S. 321-327.
(6) Das Satellitenprogramm des "Global Positioning System" wird in Zukunft zur größten Präzision der Ortung führen.
(7) Das Relief des Ozeanbodens wurde 1981 auf einer Karte der National Geographic Society vorgestellt: "World Ocean Floor 1:42.500.000".
(8) Hans Günther Gierloff-Emden: Fernerkundungskartographie mit Satellitenbildaufnahmen. Wien 1989 (= Die Kartographie und ihre Randgebiete, Bd. IV, 1).
(9) Siehe H. Schmidt-Falkenberg: Der Einsatz von Photogrammetrie und Fernerkundung in der Antarktisforschung. Veröffentlichungen des Instituts für Photogrammetrie und Ingenieurvermessung der Universität Hannover. H. 13, 1990.
Volker Bialas: Erdgestalt, Kosmologie und Weltanschauung. Stuttgart 1982.
Oswald Dreyer-Eimbcke. Die Entdecker der Erde. Frankfurt/M. 1988.
Gerhard Engelmann: Der physikalische Atlas des Heinrich Berghaus. In: Internationales Jahrbuch für Kartographie 4, 1964, S. 153-161.
Hans Günter Gierloff-Emden: Fernerkundungskartographie mit Satellitenbildaufnahmen. Wien 1989 (= Die Kartographie und ihre Randgebiete, Bd. IV, 1).
Arthur H. Robinson: Early thematic mapping in the history of cartography. Chicago/London 1982.
Günter Schilder: Australia unveiled. The share of the Dutch navigators in the discovery of Australia. Amsterdam 1976.
Raleigh A. Skelton: Explorer's maps. Chapters in the cartographic record of geographical discovery. London 1958.
Lothar Zögner: Die kartographische Darstellung der Polargebiete bis in das 19. Jahrhundert. In: Die Erde, 109.1978, S.136-152.
Lothar Zögner (Hrsg.): Die Welt in Händen. Globus und Karte als Modell von Erde und Raum. Berlin 1989 (= Ausstellungskatalog 38, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz).
(Abb. 2) Gerard Mercator, Nordpolkarte, 1595
(Abb. 3) Johannes Covens, Weltkarte, Amsterdam, um 1700
(Abb. 4) Georg Friedrich Müller, Karte nach den Entdeckungen der Bering-Expeditionen, 1773
(Abb. 5) Heinrich Berghaus, Karte zur Pflanzengeographie