in: Bott, G.; Willers, J. (Hrsgb.): Focus Behaim-Globus. Ausstellungskatalog, 2 Bde., Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Nürnberg, Dezember 1992.
(1) Herkunft und Familie Georg Glockendons
(2) Zur Bemalung des Globus
(3) Die Miniaturen
Der Behaim-Globus ist die einzige Malerei von Glockendons Hand, die sich erhalten hat, obgleich Georg Glockendon ein gefragter Illuminist war und Arbeiten für hochgestellte Persönlichkeiten wie etwa Kurfürst Friedrich den Weisen von Sachsen verfertigt hat (2). Archivalischen Überlieferungen zufolge hat Glockendon zahlreiche illuminierte Arbeiten verfertigt, die er auch in entferntere Gegenden vertrieb; so verkaufte er 1510 Kalender im Wert von 58 Gulden nach Ofen (3). Wie Johann Neudörfer 1546 berichtet, illuminierte Glockendon Gesang- und Meßbücher und Wappenbriefe (4). Daß ihn der Nürnberger Rechenmeister in seine Auswahl der von ihm am meisten geschätzten Nürnberger Künstler aufgenommen hat, zeugt von einer außerordentlichen Wertschätzung des Illuministen.
Eine weitere Erwerbsquelle war für Glockendon seine Tätigkeit als Briefmaler. Er vertrieb also auch Einblattholzschnitte, gedruckte Bilder, die seit dem frühen 15. Jahrhundert immer beliebter wurden, deren Herstellung preisgünstiger war als das Illuminieren und somit für eine größere Käuferschicht erschwinglich. Dazu Neudörfer: "Er brauchte mit den Patronen einen grossen Fleis und Vortheil", und mit den "gemalten Briefen" trieb er "einen großen Handel". Allerdings war der Kundenkreis Glockendons nicht unbedingt das einfache Volk, sondern auch angesehene Persönlichkeiten wie der patrizische Arzt und Wissenschaftler Hartmann Schedel kauften ihm mehrere Blätter ab.
Von den Einblattholzschnitten aus Glockendons Werkstatt sind - im Gegensatz zu seinen illuminierten Werken - eine ganze Anzahl überliefert. Glockendon war einer der vier Briefmaler Nürnbergs des 15. Jahrhunderts - die anderen drei waren Hans Sporer, Hans Bauer und Wolfgang Hamer -, von denen namentlich signierte Einblattholzschnitte erhalten sind.
Von keinem Nürnberger Briefmaler des 15. Jahrhunderts ist jedoch bekannt, daß er wie Georg Glockendon auch als Illuminist gearbeitet hätte. Von anderen Briefmalern ist überliefert, daß sie auch Zeugdruck herstellten oder, wie beispielsweise Hans Sporer, Spielkarten druckten, was technisch der Produktion von Einblattholzschnitten gleichkam, da hier ebenfalls mit Holzmodeln gearbeitet wurde.
In Glockendons Einblattholzschnitten sind alle Themen behandelt, die sich im ausgehenden 15. und frühen 16. Jahrhundert gut verkaufen ließen: Die traditionellen Andachts- und Heiligenbilder für die in dieser Zeit besonders religiös geprägte Gesellschaft - Briefmaler wurden deshalb auch zuweilen Heiligenmaler genannt - illustrierte Reimpaartexte, Kalender und, was im späten 15. Jahrhundert bei den Nürnberger Briefmalern noch nicht selbstverständlich war, Berichte über zeitgenössische Ereignisse. Dazu gehören eine Wundererscheinung in Konstantinopel 1490, eine angebliche Hostienschändung durch die Juden von 1475, die neu aufgewärmt wurde, das Auftauchen zweier Asketen in Nürnberg 1497 und die Indienexpedition Balthasar Sprengers 1509. Bei letzterem Werk kopierte der geschäftstüchtige Glockendon Holzschnittvorlagen von Hans Burgkmair. Neu eingeführt in den Nürnberger Einblattholzschnitt hat Georg Glockendon die Karte als praktisches Hilfsmittel. 1492 druckte er Erhart Etzlaubs Karte der Umgebung von Nürnberg, die als die erste politische Karte mit festen Gebietsgrenzen im deutschen Raum gilt. Diese Karte hat bereits Johann Neudörfer, dessen erster Algebralehrer Etzlaub gewesen war, gewürdigt: "machet die Gelegenheit um Nürnberg auf viele Meilen in eine Landtafel, die drucket Georg Glockendon" (5). 1501 gab Georg Glockendon seine berühmte Straßenkarte heraus - sie hängt mit der Romwegkarte von 1500 zusammen, die vermutlich ebenfalls in seiner Offizin erschienen ist -, die sein Sohn Albrecht 1533 wieder aufgelegt hat. Der gleiche Mann, der einen der frühesten Erdgloben bemalte, hat zugleich auch bei der Verbreitung von Kartenmaterial als Einblattdrucke Pionierarbeit geleistet.
1484 erwarb Georg Glockendon das Nürnberger Bürgerrecht; im Bürgerbuch wird er als "Illuminist" bezeichnet. Am 8. Juli des gleichen Jahres quittierte seine Ehefrau Kunigunde den Empfang des väterlichen Erbes. Sie war die Tochter von Anna und Fritz Lawtterhofer. Ihre Mutter war in zweiter Ehe mit Paul Strobel verheiratet, der das väterliche Erbteil auszahlte (6). Vermutlich hat Georg Glockendon kurz zuvor geheiratet, und zu diesem Anlaß wurde seiner Frau das Erbteil ausgezahlt. Die Heirat ermöglichte ihm wohl auch den Erwerb des Nürnberger Bürgerrechts.
Da er für das Bürgerrecht den vollen Betrag zu entrichten hatte, muß Georg Glockendon von auswärts gekommen sein. Die in der Forschung mehrfach zu findenden Behauptungen, er sei der Sohn eines älteren Nürnberger Illuministen oder Briefmalers gleichen Namens oder eines Albrecht Glockendon gewesen - keiner von beiden ist in Nürnberger Quellen nachzuweisen -, können daher nicht zutreffen, obgleich der Name Glockendon oder Glockenthon schon früher in Nürnberg vorkommt: 1440 mußte ein Glockendon, der ohne Vornamen genannt wird, wegen Zückens einer Waffe eine Geldstrafe von zwei Pfund novi zahlen (7).
Ein Sporer namens Hans Glockendon erwarb 1467 das Nürnberger Bürgerrecht (8); er dürfte ein Verwandter Georg Glockendons gewesen sein. Vielleicht stammt aus dessen Nachkommenschaft jener Georg Glockendon, dessen Wappen als Holzschnitt-Exlibris in der Universitätsbibliothek Erlangen (9) erhalten geblieben ist. Es gehörte zu einem Buch, das Glockendon dem Nürnberger Dominikanerkloster gestiftet hat. Zu dem Erlanger Holzschnitt-Exlibris gehört ein handgeschriebener Zettel mit dem Inhalt: "Istum librum dono dedit conventui predicator˜ ordinis divi Dominici in Nürmberga honorabilis vir Jeorgius Glockendon". Das Buch, aus dem die zwei Blätter herausgelöst wurden, ist verschollen. 1519, fünf Jahre nach dem Tode des gleichnamigen Briefmalers, ließ ein Georg Glockendon bei Friedrich Peypus eine Neuauflage von Ulrich Pinders "Speculum passionis domini Jesu Christi" drucken, das wegen der darin enthaltenen Schäufelein-Holzschnitte berühmt ist. Das Impressum nennt Glockendon einen "vir honestus". Das ungewöhnlich populäre "Speculum passionis" erschien 1522 auch in polnischer Übersetzung, für die die Schäufelein-Holzschnitte ebenfalls verwendet wurden (10). Im Jahre 1521 ließ Georg Glockendon bei Johann Stuchs eine überarbeitete Ausgabe von Heinrich Bebels "Ars verificandi" drucken.
Zurück zum Illuministen Georg Glockendon. Johann Neudörfer berichtet, er habe seine Kinder dazu angehalten, "daß sie täglich dem Illuminiren und Briefmalen hart mußten obsitzen". Seine zwei Söhne Albrecht und Nikolaus wurden ebenfalls berühmte Illuministen. Ein weiterer Sohn, so Neudörfer, "ward ein magister, der macht ein Buch, so noch vorhanden ist, von der Perspectiv". Gemeint ist mit diesem Buch die 1509 erschienene deutsche Übersetzung des Traktats von Jean Pélerin. Der Sohn wird hier zwar nicht namentlich erwähnt, sondern nur der Vater Georg Glockendon d.Ä., der als Herausgeber fungierte, doch ist ein Johann Glockendon in den Matrikeln der Universität Leipzig 1504 nachgewiesen. 1507 legte er an der philosophischen Fakultät sein Baccalaureat ab. Ein Jahr später schrieb er sich in Tübingen ein. Schenkt man Neudörfer Glauben, muß er wenig später seinen Magistergrad erworben und 1509 das Traktat Pélerins ins Deutsche übertragen haben, wobei die Übersetzung als höchst frei und fehlerhaft zu werten ist (11). Über das Schicksal Johanns ist nichts bekannt, vermutlich ist er vor seinem Vater gestorben, da er in dessen Testament 1515 nicht erwähnt ist.
Der älteste Sohn Georg Glockendons, Nikolaus (gest. auswärts 1534), brachte es als Illuminist zu größtem Ansehen und arbeitete für zahlreiche hochgestellte Persönlichkeiten wie für Abt Nikolaus von Salem, den Bischof von Eichstätt, den Nürnberger Rat, den Patrizier Endres Imhoff, für die Kurfürsten Albrecht von Brandenburg und Johann Friedrich von Sachsen sowie den Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg. Wahrscheinlich illuminierte er eine der drei Pandekten, die der Nürnberger Rat 1529 an den kaiserlichen Großkanzler nach Spanien sandte - in den Stadtrechnungen ist ein Glockendon ohne Vornamen eingetragen, der dafür 12 Gulden und zwei Pfund, ferner 60 Pfennig Trinkgeld erhielt. Diese aufwendig ausgestatteten Pandekten versah Michael Krug ebenso wie ein Exemplar der "Institutionen" (Teile des corpus iuris) mit vergoldeten Silberbeschlägen. Neudörfer berichtet von einem Meßbuch für Kardinal Albrecht von Mainz, wofür Nikolaus Glockendon 500 Gulden erhalten haben soll, und kommentiert: "hat auch sonst viel Fürstenarbeit". Ferner berichtet er, Glockendon habe zwölf Söhne gehabt, "die zog er auf zu Künsten". In der Tat sind die von Neudörfer namentlich genannten Söhne Gabriel (gest. nach 1585), Georg (gest. 1553) und Sebastian (gest. 1555) archivalisch als Maler bzw. Illuminierer nachgewiesen, Jacob und Wolf (gest. 1561) wurden Goldschmiede. Ein weiterer Sohn Nikolaus Glockendon d.J. arbeitete laut Neudörfer als Diamantschneider bei Hans Koberger. Als Bildhauer ist keiner der Söhne Nikolaus Glockendons nachgewiesen, obwohl laut Neudörfer einer von ihnen diesen Beruf ergriffen haben soll. Hingegen ist bekannt, daß Glockendons Witwe Anna 1537 den berühmten Bildhauer und Medailleur Johann Deschler (Teschler) geheiratet hat, der "mit Vergunst seiner frommen Ehewirtin" nach Italien reiste und später nach Wien zog; seine künstlerische Leistung wurde ebenfalls von Neudörfer gewürdigt (12).
Albrecht Glockendon (gest. 1545), der jüngere Sohn des Briefmalers und Illuministen Georg, arbeitete zunächst unter der Leitung seiner Mutter Kunigunde (gest. 1534), ehe er die väterliche Werkstatt übernahm. Er erbte auch einige alte Druckvorlagen, die er neu auflegte, wie die Straßenkarte und Pélerins Traktat über die Perspektive (13). Er illuminierte wie sein Bruder Nikolaus Gebetbücher und Kalender für Albrecht von Brandenburg. Seine von Neudörfer überlieferte poetische Ader - "mit solchen Versen zieret er die Historien seiner Gemäld" - läßt sich in dem Gedicht zu einem von ihm herausgegebenen Einblattholzschnitt über die Narrenkappen nachweisen (14). Sein Sohn Jörg (gest. vor 1548), der ein recht unordentliches Leben geführt hat, war ebenfalls Illuminist und arbeitete in der väterlichen Werkstatt. Sein Monogramm IG ist im Breviarium in der Stadtbibliothek Nürnberg zu finden (15). Ein weiterer Sohn Gerhard wurde Maler. Zwei Söhne von Albrecht Glockendon, Philipp und Christoph, ergriffen keinen künstlerischen Beruf; Christophs Sohn Joachim trat Ende des 16. Jahrhunderts auch als Meistersinger in Erscheinung (16).
Die Schwestern von Albrecht und Nikolaus Glockendon heirateten nicht in Künstlerfamilien ein. Eine von ihnen, Agnes, ehelichte am 1. Juli 1529 Zacharias Erb von Passau. Dieser war von Beruf Buchführer und Wirt und taucht 1540 auch in einer Urkunde des berühmten Malers Wolf Huber auf, der in Passau ansässig war (17). Für Erb druckte Johann Stuchs 1513 in Nürnberg Jacob Heinrichmanns "Grammatice Institutiones".
Im 15. Jahrhundert sind jedoch auch Maler von Rang als Kartenhersteller nachgewiesen. So fertigte Jan van Eyck für Philipp den Guten von Burgund eine kreisförmige Weltkarte, deren genaue Vermaßung Bartolomeo Fazio 1456 hervorhebt: "Eius est comprehensio orbiculari forma, quem philipp belgarum principi pinxit, quo nullum consummatus opus nostra aetate factum putatur, in quo non solum loca situsque regionum, sed etiam locorum distantiam metiendeo disgnoscas" (22). In der Forschung wurde mehrfach vemutet, daß diese verlorene Karte van Eycks anläßlich eines geplanten Kreuzzugs Philipps des Guten gegen die Türken hergestellt worden sei; zu diesem Zweck hat der Herzog von Burgund seit 1438 eine Flotte bauen lassen. Als großen Vorzug attestierte der Herzog von Burgund Jan van Eyck, daß er in sich den Wissenschaftler und Künstler vereinte. Da van Eyck als Brautwerber persönlich in Portugal gewesen ist, bietet sich die Überlegung an, daß er dort auch Kartographen aus der Schule Heinrichs des Seefahrers begegnet sein könnte.
1471 malte Hans Pleydenwurff im Auftrag des Nürnberger Rates mehrere Landkarten von Burgund, die an verschiedene Adressaten verschickt wurden (23). Die kartographische Leistung Pleydenwurffs, der offensichtlich ähnlich wie van Eyck als Maler wie als Miniaturist tätig war, ist nicht zu beurteilen.
Georg Glockendon hat den Behaim-Globus nach einer bereits vorgegebenen kartographischen Einteilung illuminiert, denn es heißt in den Nürnberger Stadtrechnungen über den Globus, "so her Mertin Peham zugericht hat" (24). Gleichzeitig erwähnen die Rechnungen auch eine gedruckte "mappa mundy", die Martin Behaim abgekauft und dann ausgemalt, aufgezogen und gerahmt in der Kanzlei aufgehängt wurde. Dafür wurden wurden zwei Tafeln geschreinert, die ein Maler Starch bemalte. Vermutlich ist dieser mit dem seit 1492 nachweisbaren Maler Hans Storch identisch und verwandt mit Florian Storch, der 1523 bei Glockendons Witwe Kunigunde aus der Lehre entlief und für den die Vormünder eine Konventionalstrafe von sieben Gulden bezahlen mußten (25).
Möglicherweise war der Globus als Vorlage für die gedruckte Karte vorgesehen. Ruprecht Kolberger, der Verfertiger der Kugel, hatte angeboten, daß er, falls Martin Behaim ihn "die kunst kosmografia lerna oder das austeiln der kugel, so wolt er dieweil ander kugel machen" (26), nachdem er 1492 eine Auseinandersetzung über einen nicht bekannten Gegenstand mit Behaim gehabt hatte. 1494 ist ein Streit zwischen Kolberger und dem Maler Hans Traut von Speyer - dem Vater des Reißers, Malers und Illuministen Wolf Traut - wegen eines Bretts oder einer Tafel überliefert, die Kolberger nicht wie vereinbart abkaufen wollte. Es wurde entschieden, daß Traut die Tafel wieder an sich nehmen, jedoch von Kolberger für seine Arbeit angemessen bezahlt werden solle. Gümbel machte den vorsichtigen Vorschlag, dieses Brett als Druckstock mit Zeichnung zu deuten (27). Hier würde sich für die Zeichnung der Riß einer Weltkarte anbieten, einer Karte freilich, die, wie viele Holzschnitte jener Zeit, erst durch die Ausmalung komplettiert wurden. Vielleicht sind tatsächlich Karten gedruckt worden, von denen eine in den Besitz Martin Behaims gekommen ist, die dieser wiederum für einen Gulden und drei Pfund an den Rat verkaufte.
Für seine Arbeit am Globus muß Glockendon Vorlagen besessen haben, die ihm Martin Behaim beschafft hat. Dafür sprechen schon die überdeutlich auf dem Globus festgehaltenen portugiesischen Flaggen, die die weltbeherrschende Stellung dieses Landes dokumentieren sollten. An portugiesische Karten wie die allerdings wesentlich spätere Arbeit von Lopo Homen (um 1519, Paris, Bibliothèque Nationale) (28) erinnern auch die auf dem Globus als zahlreiche bunte Flecken wiedergegebenen Inseln im südostasiatischen Raum.
Wie Jandesek in seiner quellenkritischen Untersuchung über die Vorlagen für die Inschriften auf dem Globus festgestellt hat, waren die Textpassagen nach Marco Polo nicht von der 1471 in Nürnberg gedruckten und damit doch leicht verfügbaren Ausgabe Friedrich Creussners übernommen worden, sondern nach einer in Italien redigierten Version (29). Auch dies ist ein Indiz, daß Martin Behaim Vorlagen von auswärts herbeigeschafft hat.
Bei den Miniaturen scheinen einige Motive auf Vorbilder katalanischer Karten zu weisen. Während die Kartographen aus der Schule von Mallorca wie Abraham Cresques (Kat.-Nr. 2.9) im 14. Jahrhundert in ihren Portulankarten die Landesherren auf Thronen ohne Rückenlehne oder auf der Erde sitzend darstellten, finden sich auf einer der katalanischen Karten in der Bibliothek Este in Modena um 1450 Herrscher, die wie beim Behaim-Globus vor Zeltarchitekturen sitzen (Behaim-Globus Abb. 27). Die thronenden Herrscher in ungelenkem Schneidersitz weisen bei Glockendon jedoch auf eine spätgotische Auffassung von der Figur im Raum, wie sie beispielsweise beim Meister ES um 1470 zu finden sind.
Im Unterschied zu weltlichen Herrschern sind die geistlichen Machthaber auf dem Globus auf Lehnstühlen sitzend dargestellt, oft mit einer vor ihnen knienden Gestalt, wie traditionell aus Dedikationsbildern und Lehrer-Schüler-Motiven bekannt, oder stehend mit Gefolge (Beispiel Äthiopien) wiedergegeben.
Darüberhinaus sind auf den Kontinenten überaus zahlreiche Motive zu finden, wie sie in dieser Reichhaltigkeit bei älteren Karten nicht vorkommen. Zwar hat auch Fra Maurus auf seiner Weltkarte von 1459 zahllose Miniaturen aufgemalt, doch bestehen diese fast ausschließlich aus Stadtkürzeln. Bei Glockendon hingegen finden sich auch bildliche Beschreibungen über Eigenheiten der verschiedenen Gegenden, wie die Szene einer Eisbärjagd im Norden oder der Straußenvogel und die Elefantenherde (Behaim-Globus Abb. 28) auf dem afrikanischen Kontinent belegen. Meist war Glockendon gezwungen, Einzelheiten nur sehr knapp anzudeuten, wie bei den Herrschergestalten. Auch Wälder oder gar Städte werden mit der für den Kartographen gebotenen Abstraktion wiedergegeben, wenngleich er auch hier die bei den Illuministen beliebten Silberhöhungen anbringt. Wo es Glockendon möglich war, Details größer darzustellen, wie die Karavelle vor Sansibar (Behaim-Globus Abb. 29), ist nicht nur eine erstaunliche Detailfreudigkeit festzustellen, sondern auch das Bestreben, die Plastizität der Körper zur Geltung kommen zu lassen. Dies gilt auch für die verschiedenen Meereswesen auf der mit weniger Landmasse ausgefüllten Südhalbkugel. Hier konnte Glockendon seiner Liebe zum Detail, etwa bei der Meeresfauna (Behaim-Globus Abb. 30), freien Lauf lassen, wie die von der Seite her beleuchteten, sehr plastisch wiedergegebenen Fische an der afrikanischen Südspitze belegen. An dieser Stelle kommt das Talent eines hervorragenden Illuministen zur Geltung. Besonders viel Raum hatte Glockendon bei der mit Gold gehöhten Figur des Jungfrauenadlers mit den Wappen an der Südkalotte.
Bei den Farben hat bekanntlich besonders das Blau der Meere gelitten, das heute eher als schwärzliche Tinte erscheint. Jedoch hatte Glockendon, wie die chemische Analyse ergibt, ursprünglich ein strahlendes Blau verwendet, wie es der Koloritwahl der Illuministen seiner Zeit entsprach.
Fast an der gleichen Stelle, wo beim Behaim-Globus die Elefantenherde dargestellt ist, findet sich auch auf der Karte des Piri Re'is (Istanbul, Topkapi-Serail-Museum) ein Elefant. Zwar stammt diese türkische Karte erst aus dem Jahre 1513, doch geht sie auf Kartenmaterial zurück, das schon Kolumbus verwendet hat (30). Neben dem Elefanten steht auf der leider nur als Fragment erhaltenen Karte des Piri Re'is ein Straußenvogel, der bei Glockendon etwas nördlich plaziert hat.
Es scheint also eine Verwandtschaft zwischen dem Kartenmaterial des Kolumbus und dem des Martin Behaim bestehen. Dies könnte ein Indiz für die in späterer Überlieferung erwähnte Bekanntschaft zwischen Behaim und Kolumbus sein.
Offensichtlich wurden für die Illuminierung des Globus spanische oder portugiesische Vorlagen ausgewertet, obgleich die Globuskarte selbst auf den "Ulmer Ptolemäus" zurückgeht, der seinerseits von Donnus Nicolaus Germanus, dem Hersteller des ältesten bekannten Erdglobus, redigiert worden ist (31).
(2) s. Robert Bruck: Friedrich der Weise als Förderer der Kunst. Straßburg 1903, S. 184 und S. 303: Der Illuminist Jürgen Glockendon aus Nürnberg erhielt 1509 die stattliche Summe von 56 Gulden 6 Schilling und 8 Pfennig, wovon ihm 5 Gulden 15 Schilling für ein Hofkleid abgezogen wurden.
(3) Moriz Sondheim: Jörg Glockendons Kunst Perspectiva. In: Berichte des Freien Deutschen Hofstiftes zu Frankfurt am Main N.F. 8, 1892, S. 195-211, hier S. 200.
(4) Georg Wolfgang Karl Lochner (Hrsg.): Des Johann Neudörfer Schreib- und Rechenmeisters zu Nürnberg Nachrichten von Künstlern und Werkleuten daselbst aus dem Jahre 1547. Wien 1875, S. 140f.
(5) G.W.K. Lochner (Anm. 4), S. 172.
(6) Stadtarchiv Nürnberg, Rep. B 14, Libri Conservatorii D, fol. 38v.
(7) Staatsarchiv Nürnberg, Rep. 54, 11, fol.7r.
(8) Staatsarchiv Nürnberg, Rep. 52b, 305, fol. 135r.
(9) Inv. Nr. AH 361.
(10) Zur Wirkung der Schäufelein-Holzschnitte s. Kurt Löcher: Dürer-Ersatz. Hans Schäufeleins Holzschnitte des Speculum passionis und ihre Wirkung auf die Künstler. In: Werner Knopp (Hrsg.): Spiegelungen. Mainz 1986, S. 61-90.
(11) Zu Glockendons Übersetzung s. M. Sondheim (Anm. 3).
(12) G.W.K. Lochner (Anm. 4), S. 116.
(13) M. Sondheim (Anm. 3), S. 201.
(14) Max Geisberg: The German Single-Leaf Woodcut: 1500 - 1550. Reversed and edited by Walter L. Strauss. New York 1974, Nr. 1301.189. Holzschnitt-Entwurf vielleicht von Erhard Schön, Exemplare in Oxford, Coburg, London.
(15) Hertel I, 9. s. Barbara Daentler: Die Buchmalerei Albrecht Glockendons und die Rahmengestaltung der Dürernachfolge (tuduv-Studien. Reihe Kunstgeschichte, Band 12). München 1984, S. 20.
(16) Irene Stahl: Die Meistersinger von Nürnberg (Nürnberger Werkstücke 33). Nürnberg 1982, S. 142-144.
(17) Franz Winzinger: Wolf Huber. Das Gesamtwerk, Bd. 1. München - Zürich 1979, S. 205.
(18) Ursula Timann: Der Rundprospekt der Nürnberger Landwehr von 1577. In: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums 1987, S. 195-204.
(19) Charles Stirling: La Mappemonde de Jan van Eyck. In: Revue de l'art 33, 1976, S. 69-82, hier S. 70.
(20) Jozef Babicz: The celestial and terrestrial globes of the Vatican Library dating from 1477, and their maker Donnus Nicolaus Germanus (ca 1420 - ca 1490). In: Der Globusfreund 35-37, 1987, S. 155-168. Von Isabella von Este noch Jahre später als Kopie verlangt. Donnus Nicolaus Germanus redigierte Ptolemäus' "Geographia", die in Ulm 1482 von Holl, 1486 von Reger gedruckt wurde.
(21) Fritz Schnelbögl: Zur Geschichte der älteren Nürnberger Kartographie I. Erhard Etzlaubs Karten des Nürnberger Landgebiets 1516/19. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 49, 1959, S. 170-177, hier S. 173 und S. 175.
(22) Zitiert nach Ch. Stirling (Anm. 19), S. 70.
(23) Albert Gümbel: Altfränkische Meisterlisten. In: Repertorium für Kunstwissenschaft 42, 1920, S. 116-122, hier S. 122.
(24) H. Petz (Anm. 1), S. 168.
(25) M. Sondheim (Anm.3), S. 201.
(26) Johannes Willers: Der Erdglobus des Martin Behaim im Germanischen Nationalmuseum. In: Rudolf Schmitz und Fritz Krafft (Hrsg.): Humanismus und Naturwissenschaften (Beiträge zur Humanismusforschung, Bd. 6). Boppard 1980, S. 193-206.
(27) Albrecht Gümbel: Der Rechenmeister und Wagmacher Ruprecht Kolberger 1470 - 1505. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 26, 1926, S. 279-308, hier S. 303.
(28) Abbildung in: Kenneth Nebenzahl: Der Kolumbusatlas. Karten aus der Frühzeit der Entdeckungsreisen. Braunschweig 1990, S. 70/71.
(29) s. den Aufsatz von Reinhold Jandesek in diesem Band
(30) K. Nebenzahl (Anm.28), S. 62-63.
(31) Franz Wawrik: Antike Ueberlieferungen auf deutschen Weltkarten und Globen zwischen 1480 und 1520. In: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums 1991, S. 30-36, hier S. 31.