Der Behaim-Globus und die Kartographie seiner Zeit

Ulrich Knefelkamp

in: Bott, G.; Willers, J. (Hrsgb.): Focus Behaim-Globus. Ausstellungskatalog, 2 Bde., Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Nürnberg, Dezember 1992.

Eines der Rätsel, das den Globus umgibt, ist sein Kartenbild. Zwar konnte man einige Vorlagen recht schnell mit Sicherheit ermitteln, aber andere blieben doch im Dunkeln. Der Globus ist als Spiegelbild für die Entwicklung der Kartographie des 14. und 15. Jahrhunderts anzusehen. Dabei muß man drei Kartentypen unterscheiden: 1. Die mittelalterlichen Weltkarten (Mappae Mundi), 2. die Ptolemäus-Karten und 3. die Seekarten (Portulane).

Die mittelalterlichen Weltkarten entsprechen nicht den geographischen Realitäten, sondern stellen das mittelalterliche Weltbild dar. Dies hat zur Folge, daß Jerusalem in der Regel in der Mitte liegt und die drei Erdteile Europa, Asien und Afrika sich um die Stadt gruppieren. Der Höhepunkt dieser Darstellung liegt im 13. Jahrhundert bei der Ebstorf-Karte (um 1230, Kat.-Nr. 2.7) und der Hereford-Karte (um 1290) (1), die man als "ökumenische Radkarten" bezeichnet. Ihre Form wird im 15. Jahrhundert aufgegriffen von Andreas Walsperger (1448) (2), der auf seiner gesüdeten Karte nun schon die Umrisse der drei Kontinente etwas deutlicher macht. Jerusalem bleibt im Zentrum, herausgehoben ist im Osten das Paradies.

Einen Bruch mit der Tradition und gleichzeitig einen weiteren Höhepunkt bildet die Radkarte (196 x 193 cm) von Fra Mauro (um 1459) (3). Der Kamaldulensermönch aus dem Kloster Murano in der Lagune von Venedig studierte die Quellen und vorherigen Karten und bemühte sich um möglichst genaue Wiedergabe. Die Karte ist gesüdet, wie es arabischer Tradition entspricht, aber Jerusalem ist zugunsten realistischer Darstellung nach Westen verschoben. Der Einfluß von Portulan-Karten auf die Darstellung der iberischen Halbinsel, des Mittelmeers und des Schwarzen Meers sind ganz deutlich. Als Neuerungen fallen auf: Der nördliche Teil der westafrikanischen Küste ist wohl auf erste portugiesische Informationen zurückzuführen. Im Gegensatz zu gängigen Vorstellungen wird die Südspitze Afrikas von Meer umflossen, eine Umfahrung wird also bereits angedeutet, der Indische Ozean ist kein Binnenmeer mehr.

Dies steht im Widerspruch zu dem allgemein gültigen Weltbild des Ptolemäus (um 87 - 150) (4). Dieser Bibliothekar aus Alexandria konstruierte eine große Weltkarte, die allen späteren Kartenwerken als Vorbild diente. Eine Anleitung zur Herstellung der Karte gab er in seiner "Geographia" heraus. Sie enthält 350 astronomische feste Punkte und ca. 8.000 Ortsangaben. Für den Äquator errechnete er nur einen Umfang von 32.000 Kilometern. Den asiatischen Kontinent dehnte er weit nach Osten aus, den Indischen Ozean schuf er als Binnenmeer, Afrika reichte nur bis zur westafrikanischen Küste und wurde mit Asien verbunden.

In Europa wurden die Kenntnisse des Ptolemäus erst durch die lateinische Übersetzung am Anfang des 15. Jahrhunderts (1406) bekannt. Die große Verbreitung erlebten sie aber erst, seitdem sie im Jahr 1475 im Druck erschienen waren (5) (Kat.-Nr. 2.16 und 3.23). Karten wurden der "Geographia" seit 1477 (Bologna, 27 Karten) beigegeben.

Als dritter Kartentyp sind die Portulane (6) anzuführen. Sie entstanden im 13. Jahrhundert in Italien; Pisa und Genua sind hier die ersten Herstellungsorte. Danach bildeten im 14. Jahrhundert die katalanischen und mallorquinischen Kartenmacher den Höhepunkt dieser Kunst. Sie beeinflußten die portugiesischen Portulan-Karten, von denen durch das Erdbeben und die nachfolgenden Brände in Lissabon (1755) nur wenige erhalten sind. Es gibt allerdings auch die Theorie, daß man wegen der strikten Geheimhaltung der Portugiesen die Portulan-Karten nicht mehr findet, weil sie diese selbst vernichtet haben.

Die Benutzung der Portulan-Karten setzt die Kenntnis des Kompasses voraus. Mit Hilfe eines Strahlenbündels mit 16 Zeigern bzw. mit der Hilfe von weiteren 16 Liniensystemen mit doppelter Zeigerzahl am Kartenrand konnten die Seefahrer ihre Fahrtrichtung bestimmen und ihnen bekannte Inseln und Küsten einzeichnen. So wurden neue Inseln und praktische Erfahrungen auf diesen Karten dokumentiert. Neben dem praktischen Gebrauch an Bord der Schiffe gab es noch prächtige Stücke als Gastgeschenke. Insgesamt ist ihre Genauigkeit, zumindest in Küstengebieten, größer als die der anderen beiden Kartentypen.

Das Kartenbild des Behaim-Globus beruht auf einer Vermischung der vorgestellten Kartentypen. Daher ist es schwierig, die Verbindung zu einzelnen Kartographen herzustellen.

Eine erste Brücke kann man zu einer wichtigen Portulan-Karte des 15. Jahrhunderts schlagen, die von Zuane Pizzigano (7) in Venedig 1424 hergestellt und erst nach dem zweiten Weltkrieg wiederentdeckt wurde. Diese Karte (57 x 90 cm) ist die erste, die allein dem Ozean und seinen Inseln gewidmet ist. Sie ist vor allem dadurch berühmt, daß auf ihr zum ersten Mal die mythische Insel "Antilia" dargestellt ist. Nach der alten portugiesischen Überlieferung hatten sich im 8. Jahrhundert sieben portugiesische Bischöfe mit ihrem Gefolge vor den islamischen Eindringlingen auf die Insel geflüchtet. Auf dieser Insel sollen sie sieben Städte gegründet haben. Daher erhielt sie den Namen "Insel der sieben Städte" oder "Antilia". Sie war wegen angeblicher Edelmetallvorkommen ein Anziehungspunkt für die europäischen Fahrten in den westlichen Atlantik. Nach der Pizzigano-Karte wurde sie daher auf den nachfolgenden Karten meist weit im Westen eingezeichnet. Kolumbus hatte einen Zwischenstop auf ihr vorgesehen, Behaim hat sie mitten im Ozean plaziert.

Das Gesamtkartenbild des Globus' ist der Ptolemäus-Tradition verpflichtet. In Deutschland war die "Geographia" zum ersten Mal 1482 von Lienhart Holl in Ulm gedruckt worden. Im Gegensatz zu den Kupferstichen der italienischen Ausgaben sind die Karten aus Holz geschnitten. Als Vorlage für den Druck gilt eine Handschrift von Nicolaus Germanus (um 1420 - um 1490)(8), dessen Lebenslauf im Dunkeln liegt. Wahrscheinlich war er Geistlicher aus einem süddeutschen Kloster, trat um 1450 in die Malergesellschaft in Padua ein und wurde in den humanistischen Kreisen von Ferrara mit dem geographischen Werk des Ptolemäus vertraut. In Florenz überarbeitete er die "Geographia", deren dritte Fassung durch Vermittlung eines Florentiner Geschäftsfreundes von Lienhart Holl gedruckt wurde. Während bei der Bologneser Ausgabe von 1477 und der römischen von 1478 die Mitwirkung von Nicolaus Germanus nachweisbar ist, weiß man dies bei der Ulmer Ausgabe von 1482 nicht. Die unverkauften Bestände der Holl'schen Ausgabe übernahm Johann Reger und gab 1486 eine verbesserte und attraktiver gestaltete Ausgabe heraus (Kat.-Nr. 2.16). Von diesen beiden Ulmer Ausgaben sind alle weiteren abhängig. Die erste deutschsprachige, der "Deutsche Ptolemäus" (Kat.-Nr. 3.23), erschien wohl 1490.

Nicolaus Germanus hat die trapezförmige Projektion des Ptolemäus eingeführt. Er legte großes Gewicht auf die Veränderung des ptolemäischen Weltbildes durch moderne Karten, die zweite Redaktion hatte drei "Tabulae modernae" (Nordeuropa, Spanien, Italien), die dritte Redaktion deren fünf (Nordeuropa, Spanien, Italien, Gallien, Palästina) aufzuweisen. Die "Tabulae modernae" waren die ersten Karten mit einem kartographischen Netz, dadurch gewann das Werk auch einen pragmatischen Wert. Allerdings sind die Entdeckungsfahrten der Portugiesen am afrikanischen Kontinent in keiner Weise verarbeitet.

Martin Behaim hat die Ulmer Ausgabe als Vorlage benutzt. Die Weltkarte enthält einige Neuheiten. So ist der Nordatlantik ausgeweitet, Skandinavien etwas deutlicher gestaltet, wobei Grönland neu eingezeichnet wird, allerdings östlich von Island. Bei Afrika bleiben die portugiesischen Entdeckungen unberücksichtigt. Im Indischen Ozean sind Inschriften eingetragen, die z.B. über die Anzahl der Inseln Auskunft geben.

Von allen Wissenschaftlern anerkannt ist die direkte Beziehung zu den Karten von Henricus Martellus Germanus (9), der wahrscheinlich aus Nürnberg stammt. Er war von 1480 bis 1496 in Italien tätig. In Florenz zeichnete er 1489 eine Karte (30 x 47 cm) auf der Ptolemäus-Basis, die er mit den neuesten Erkenntnissen der Portugiesen über Afrika versah (Abb. 1). Er verdeutlichte damit die Umfahrbarkeit der Südspitze Afrikas, wie es gerade (1487/88) Bartolomeu Dias durch die Umfahrung des Kaps der guten Hoffnung gezeigt hatte. Dadurch sprengte er das ptolemäische Weltbild endgültig.

Korrekter ist die Darstellung der Britischen Inseln und Skandinaviens. Hervorzuheben ist außerdem die Weiterführung der Küste Ostasiens nach Osten mitsamt der weit nach Süden reichenden fiktiven Halbinsel, ein Rest der südlichen Begrenzung des Indischen Ozeans auf Ptolemäus-Karten. Dieser "Drachenschwanz" wurde von einigen spekulativ arbeitenden Forschern als frühzeitiges Abbild Südamerikas angesehen. Dabei hat sich Martellus wohl eher z.B. an Aeneas Silvio Piccolomini (als Papst Pius II. 1458 - 1471) orientiert, dessen Theorie (1477 gedruckt) lautete, daß die gesamte Welt vom Ozean umflossen sei. Die Martellus-Karte ist in dem Manuskript der "Isolarien" als Weltkarte enthalten. Nach dieser Vorlage fertigte der bekannte Kartenstecher Francesco Rosselli in Florenz 1492/93 eine Karte (37,5 x 52,5 cm) als Kupferstich an.

Erst 1961 fand man eine zweite Karte von Martellus, die sogenannte "Yale-Karte" (10), wohl um 1490 als Wandkarte (108 x 190 cm) gefertigt. Sie weist eine Gradeinteilung für Breite und Länge auf. Hier fügte er im Osten weitere 50 Längengrade hinzu. Als Vorlage könnte ihm eine Karte des berühmten Humanisten Paolo dal Pozzo Toscanelli aus dem Jahr 1474 gedient haben, falls es sie gab. Die Abbildungsform erinnert an die spätere Waldseemüller-Projektion von 1507. Während er sich im Inneren der Kontinente an die Ptolemäus-Tradition hält, ist Afrika wie bei der ersten Karte gestaltet. Der auffällige Unterschied zu ihr ist die Darstellung der Insel Zipangu (Japan), die sich durch die Ausdehnung nach Osten ergab. Nach der Darstellung ist sie nur 90 Grad westlich von Lissabon entfernt, in der Realität ist es die doppelte Entfernung. Mit dieser falschen kartographischen Vorstellung ging Kolumbus auf seine abenteuerliche Fahrt.

Hinsichtlich der Auswirkungen auf den Behaim-Globus muß darauf verwiesen werden, daß, wie auf dem Globus, die Südostecke Afrikas weit nach Osten gezogen ist und die zwei Inseln Sansibar und Madagaskar erstmalig an dieser Küste eingezeichnet sind. Diese Karte kommt damit in ihrer Gesamtdarstellung am nächsten an das Kartenbild des Behaim-Globus heran.

Ein Rätsel umgibt die Beziehung zu Portulan-Karten. Angeblich soll Behaim eine solche Karte mitgebracht haben. Wie oben bereits erwähnt, sind die portugiesischen Portulane nicht erhalten geblieben. Wir haben auch aus der katalanischen Schule nur den berühmten Atlas von 1375 (Kat.-Nr. 2.9) und die katalanische Karte von Modena (um 1450). Es spricht viel dafür, daß die Karten als Gebrauchsware bzw. als geheimes Material durch Gebrauch zerstört oder bewußt vernichtet wurden. Die genaue Küstendarstellung z.B. auch auf den Martellus-Karten deutet darauf hin, daß Kartenmacher Portulane als Vorlage hatten, die ebenfalls nicht mehr vorhanden sind.

So wird es auch bei Martin Behaim sein. Sind auf dem Globus die Kontinente Asien und Afrika im Inneren allein auf Ptolemäus zurückzuführen, so sind die Küsten eindeutig einem Portulan-Typus zuzuordnen. Denn die Küsten sind eng beschrieben und immer parallel zur Küstenschiffahrt zu lesen. Typischerweise sind die wichtigen Häfen mit den Flaggen der jeweiligen dort regierenden Nation gekennzeichnet. Ebenso typisch sind die Miniaturen, im wesentlichen Herrscher in Afrika, die vor ihren Zelten sitzen (Behaim-Globus Abb. 27). Besonderheiten sind die einzelnen Darstellungen von Tieren wie die einer Elefantenherde in Nordafrika (Behaim-Globus Abb. 28). Hier hat jede Portulan-Karte ihre Eigenheiten aufzuweisen, so daß man die konkrete Vorlage kennen müßte, um die individuelle Gestaltung des Behaim-Globus in dieser Hinsicht feststellen zu können.

Man muß also sicher von einem verschollenen portugiesischen Portulan ausgehen, den Martin Behaim mitgebracht hat. Welches kartographische Material hatte er darüberhinaus in Deutschland zur Verfügung? Weder die kreisförmige Weltkarte "Rudimentum novitiorum" (1475) noch die ostorientierte Radkarte von Hans Rüst (1480) werden ihn sehr beeindruckt haben, da sie nur Althergebrachtes vermittelten (11).

Anders war es wie erwähnt mit der Ptolemäus-Tradition. Die Ulmer Ausgabe von 1482/1486 (Kat.-Nr. 2.16) hat ihm als Vorlage gedient. Noch näher muß ihm zwangsläufig der sogenannte "Deutsche Ptolemäus" (Kat.-Nr. 3.23) gelegen haben, ein stark verkürzter Auszug der Ulmer "Geographia" in deutscher Sprache, nach der Meinung einiger Autoren um 1490 in Nürnberg entstanden. Allerdings wird er zur Zeit nach der Drucktypenforschung eher auf um 1495 (12) datiert. Damit würde er als Vorlage ausscheiden. Ihm ist eine Weltkarte beigegeben, die weitgehend auf der Ptolemäus-Ausgabe von 1486 beruht. Die Globular-Projektion, die Weltkarte als Globus, ist die erste dieser Art in Mitteleuropa, wäre dann aber eher dem Behaim-Globus nachempfunden.

Abschließend soll der Globus noch in die Entwicklung der Vorstellung und Darstellung der Erdkugelgestalt eingeordnet werden. Die Kugelgestalt der Erde wurde bereits von Pythagoras (6. Jahrhundert v.Chr.) und/oder Parmenides (nach 500 v.Chr.) erkannt. Das Wissen um die Gestalt ging nicht mehr verloren, wurde aber im Mittelalter nur von wenigen Gelehrten vertreten (13). Anders sah es mit der Nachbildung der Erde durch die Anfertigung von Globen (14) aus. Man geht davon aus, daß Krates von Mallos (2. Jahrhundert v.Chr.) einen steinernen Erdglobus von drei Metern Durchmesser schuf, wie es schriftliche Quellen darlegen. Dieser gilt als Vorbild für diejenige Erdkugel, die byzantinische Herrscher in den Händen hielten, von der wiederum der Reichsapfel der deutschen Herrscher im Mittelalter abgeleitet wird.

Während Himmelsgloben häufiger erhalten sind, wird der Behaim-Globus als der älteste heute erhaltene Erdglobus angesehen. Einziger Konkurrent ist der sogenannte Laon-Globus (15), nach seinem Fundort (1860) benannt. Er stellt eine Metall-Kugel aus vergoldetem Kupfer mit 17 Zentimetern Durchmesser dar. Im Gegensatz zum Behaim-Globus hat er ein Gradnetz, wenn auch nicht vollständig, da nur drei Meridiankreise von mehreren Breitenkreisen rechtwinklig geschnitten werden. Es wird vermutet, daß es sich bei ihm um ein Teilstück einer astronomischen Uhr handelt, die zur Zeit des Behaim-Globus' hergestellt worden ist. Das Kartenbild entspricht in etwa dem des Behaim-Globus', am äußersten Ende von Südafrika findet sich die Inschrift, daß bis hierhin die Portugiesen 1493 fahren konnten. Der Eintrag und das Datum sind umstritten, denn bekanntlich waren die Portugiesen 1488 zum letzten Mal in der Gegend, dann erst wieder 1497. Handelt es sich also um eine neue Nachricht einer unbekannten Fahrt oder ist der Globus somit eindeutig erst nach dem Behaim-Globus zu datieren? Allgemein wird der Laon-Globus als etwa gleichzeitig hergestellt angesehen.

Resümee zum Kartenbild des Behaim-Globus

Das Kartenbild des Behaim-Globus' ist eine Vermischung aus den wesentlichen Kartentypen des 15. Jahrhunderts. Die Form des Globus' ist seit der Antike bekannt, der Behaim-Globus gilt als der älteste erhaltene Globus. Er hat nur die wichtigsten Kreise des Gradnetzes, den Äquator, die Wendekreise, die Polarkreise sowie die Ekliptik. Auf ihr sind in gleichen Abständen die Tierkreiszeichen als rote Figuren eingetragen.

Der völlig unbekannte südliche Polarraum ist mit dem Nürnberger Stadtwappen und vier Patrizierwappen sowie einer langen Inschrift gefüllt. Während in diesem Text zu lesen ist, daß der Globus auf Veranlassung der Ratsherren angefertigt wurde, geben die anderen Texte, meistens ins Meer geschrieben, Kommentare zu Rohstoffen, Tieren, Handelswegen und anderem Wissenwerten aus den einzelnen Ländern und Inseln. Die Nordpolgegend ist ein reines Phantasiegebilde. Das gefrorene Binnenmeer wird als "gefrorenes mer septentrional" (nördlich) bezeichnet. Sehr auffällig ist die menschliche Gestalt, die mit Pfeil und Bogen auf einen Eisbären losgeht.

Befaßt man sich genauer mit dem dargestellten Weltbild, so ergibt sich ein direkter Bezug zu den Weltkarten, die in den gedruckten Ptolemäus-Ausgaben vorhanden sind. Hier ist besonders die Darstellung Asiens hervorzuheben. Darüber wußte Behaim nichts, er übernahm die nach Osten weit überzogene Form des Ptolemäus.

Indien ist in seiner realen Form nicht erkennbar, die Zweiteilung des Indischen Ozeans ist immerhin mit dem westlichen "mare Indicum" und dem östlichen "oceanus Indicus" angedeutet. Völlig überzeichnet ist demgegenüber die Größe des ptolemäischen Taprobane (Ceylon). Diese Insel wird von Behaim nach dem Bericht Marco Polos noch einmal als "Seilon" in Südostasien eingezeichnet. Im dazugehörigen Text wird von den wertvollen Edelsteinen und den berühmten Rubinen gesprochen. Auch der restliche südostasiatische Raum ist, nach Marco Polo mit 12.700 Inseln gefüllt, phantasievoll mit vielen unbenannten Inseln versehen. Herausgehoben werden muß sicher die erstmalige Darstellung Zipangus (Japans) auf einem Globus, wenn auch ein bißchen weit vom asiatischen Kontinent abgerückt.

Das Innere des Kontinents ist in seiner schematisierten Form auf Ptolemäus zurückzuführen. Interessant sind die häufigen Hinweise auf den Zug Alexanders des Großen, aber auch das Reich des legendären mächtigen Priesterkönigs Johannes wird erwähnt.

Unbestritten ist der direkte Bezug zu den Karten von Henricus Martellus Germanus, besonders zu der späteren großen Wandkarte. Die Darstellung von Nordeuropa, dem Mittelmeerraum, dem Vorderen Orient und Nordafrikas beruht sicher auch bei Martellus weitgehend auf Ptolemäus. Aber er geht an einigen Stellen z.B. Skandinaviens über ihn hinaus. "Modern" im Sinne Martellus' sind auch die Bezeichnung "englisches mer" für die Nordsee und "das mer von alemagna" für die Ostsee. Der Verlauf der deutschen Küste entspricht kaum der Realität, genauso wie der Verlauf der meisten deutschen Flüsse wenig korrekt ist. Von den deutschen Städten sind nur wenige erkennbar, aber dieses Ergebnis dürfte wohl auch im wesentlichen mit der Abnutzung durch Berührung mit Fingern zusammenhängen, von der Europa am meisten betroffen ist.

Die Umrisse Nordafrikas entsprechen ebenfalls dem ptolemäischen Weltbild. Aber die von den Portugiesen entdeckten Gebiete sind bereits an der Westküste mit neuen Namen versehen. Typischerweise ist der Küstenverlauf sehr genau dargestellt, so daß man als Vorlage einen portugiesischen Portulan annehmen muß. Darauf deuten auch die Miniaturen der afrikanischen Herrscher, auch wenn sie künstlerisch nicht immer sehr gelungen erscheinen. Im Süden Afrikas zeigt der Globus den Stand des Jahres 1488, eine Inschrift besagt, daß bis hierhin die Schiffe des portugiesischen Königs gelangt sind. Allerdings wurde dieser Wissensstand erst 1497 durch die Fahrt Vasco da Gamas nach Indien verändert. So mußte die Südostecke Afrikas der Phantasie überlassen bleiben, die falsche Plazierung Sansibars zeigt dies deutlich an.

Zusammenfassend kann man demnach sagen, das Kartenbild des Behaim-Globus ist einerseits durchaus der kartographischen Tradition verpflichtet, die sich nur allmählich den neuen Erkenntnissen anpaßte, andererseits nimmt es aktuelle Informationen, soweit sie von den Portugiesen preisgegeben wurden, auf und zeigt so das mitteleuropäische Bild der Welt am Vorabend der Wiederentdeckung Amerikas.

Anmerkungen

(1) Zu den mittelalterlichen Weltkarten vgl. u.a. immer noch Konrad Miller: Mappae Mundi. Vol.I - VI. Stuttgart 1895 - 1898. - Leo Bagrow und Raleigh A. Skelton: Meister der Kartographie. 5. Aufl. Berlin 1985 (1. Aufl. Berlin 1963). - Marcel Destombes: Mappemondes 1200 - 1500. Amsterdam 1964. - Ivan Kupcik: Alte Landkarten. Prag 1980. - Jörg-Geerd Arentzen: Imago Mundi Cartographica. München 1984. - John Brian Harley und David Woodward: The History of Cartography. Vol. I. Chicago - London 1987. - Anna Dorothee von den Brincken: Kartographische Quellen. Welt-, See- und Regionalkarten (Typologie des Sources du Moyen Age Occidental, Fasc. 51). Turnhout 1988. - Zur Hereford-Karte speziell der Beitrag von Gerald R.Crone: The World Map by Richard of Haldingham in Hereford Cathedral circa A.D. 1285. London 1954. - Zur Ebstorf-Karte nun die umfassenden Forschungen in dem Sammelband von Hartmut Kugler (Hrsg.): Ein Weltbild vor Kolumbus. Die Ebstorfer Weltkarte. Weinheim 1991.

(2) Zur Karte von Andreas Walsperger vgl. z.B. Konrad Kretschmer: Eine neue mittelalterliche Weltkarte der vatikanischen Bibliothek. In: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, 1891, S. 371-406.

(3) Die überaus wichtige Karte Fra Mauros fand große Beachtung und rege Erforschung, so bereits durch Pietro Zurla: Il mappamondo di Fra Mauro. Venedig 1806. - Heinrich Winter: The Fra Mauro Portolan Chart in the Vatican. In: Imago Mundi 16, 1962, S. 17-28. - Günther Hamann: Fra Mauro und die italienische Kartographie seiner Zeit. In: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 78, 1970, S. 348-371. - Wojciech Iwanczak: Entre l'espace ptolémaique et l'empire: Les Cartes de Fra Mauro. In: Médiévales 18, 1990, S. 53-68.

(4) Zu Ptolemäus vgl.u.a. Otto Cuntz: Die Geographie des Ptolemäus. Berlin 1923. - Paul Schnabel: Die Entstehungsgeschichte des kartographischen Weltbildes des Claudius Ptolemäus. Berlin 1930. - Henry N.Stevens: Ptolemy's Geography. A brief account of all the editions down to 1730. 2nd Edition London 1908. - Carlos Sanz: La Geographia de Ptolomeo. Madrid 1959. - Außerdem die Beiträge in Tony Campbell: The Earliest Printed Maps 1472 - 1500. Los Angeles 1987.

(5) Vgl. dazu den Aufsatz Franz Wawrik in diesem Band. Dazu auch der Überblick im Aufsatz von Michael Herkenhoff, ebenfalls in diesem Band.

(6) Zu den Portulanen vgl. Theobald Fischer: Sammlung mittelalterlicher Welt-und Seekarten italienischen Ursprungs. Venedig 1886 (Nachdr. Amsterdam 1961). - Konrad Kretschmer: Die italienischen Portulane des Mittelalters. Berlin 1909 (Nachdr. Hildesheim 1962). - Monique de La Roncière und Michel Mollat du Jourdin: Portulane. Seekarten vom 13. bis zum 17.Jahrhundert. München 1984.

(7) Vgl.dazu Kenneth Nebenzahl: Der Kolumbusatlas. Karten aus der Frühzeit der Entdeckungsreisen. Braunschweig 1990, S. 9-11.

(8) Vgl. zu ihm Wilhelm Bonacker und Ernst Anliker: Donnus Nicolaus Germanus, sein Kartennetz, seine Ptolemäus-Rezensionen und -Ausgaben. Zur Erinnerung an die 450. Wiederkehr des Ausgabejahres 1482 der Ulmer Ausgabe. In: Schweizer Gutenberuseum, 18, 1932, S. 19-48, S. 99-114. - Jósef Babicz: Donnus Nicolaus Germanus - Probleme seiner Biographie und sein Platz in der Rezeption der ptolemäischen Geographie. In: Land- und Seekarten im Mittelalter und in der frühen Neuzeit (Wolfenbütteler Forschungen 7). München 1980, S. 9-42.

(9) Vgl dazu im Überblick den Beitrag von Franz Wawrik in diesem Band. - Außerdem Roberto Almagia: I mappamondi di Enrico Martello a alcuni concetti geografici di Cristoforo Colombo. In: La Bibliofilia XLII, 1940, S. 288-311. - Arthur Davies: Behaim, Martellus und Columbus. In: The Geographical Journal, 143, 1977, S. 451-459.

(10) Zur Yale-Karte vgl. Alexander O. Vietor: A pre-columbian map of the world, circa 1489. In: Imago Mundi XVII, 1963, S. 95-96. - Ilaria Luzzana Caraci: Il Planisferi di Enrico Martello dell Yale University Librara e i Fratello Colombo. In: Rivista Geografica Italiana, Vol. LXXXV, 1978, S. 132-143.

(11) Vgl. dazu den Überblick im Aufsatz von Franz Wawrik in diesem Band.

(12) Zum "Deutschen Ptolemäus" Josef Fischer: Der älteste "Deutsche Ptolemäus" aus dem Ende des 15. Jahrhunderts. Straßburg 1910. - Erwin Rosenthal: The German Ptolemy and its world map. New York 1944. - Walther Matthey: Wurde der "Deutsche Ptolemäus" vor 1492 gedruckt? In: Gutenberg Jahrbuch 1961, S. 77-87.

(13) Vgl. den Überblick bei Uta Lindgren: Warum wurde die Erde für eine Kugel gehalten? In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 1990, S. 562-574.

(14) Zu den Globen vgl. die Überblickswerke: Siegmund Günther: Erd- und Himmeldgloben, ihre Geschichte und Konstruktion. Leipzig 1895. - Edward Luther Stevenson: Terrestrial and celestial globes. 2 Bde. New Haven 1921. - Oswald Muris und Gert Saarmann: Der Globus im Wandel der Zeiten. Berlin 1961. - Alois Fauser (Hrsg.): Ältere Erd- und Himmelsgloben in Bayern. Stuttgart 1964. - Dazu auch die Beiträge in der Zeitschrift Der Globusfreund, hrsg. vom Coronelli-Weltbund, Wien 1952ff. - Zu der Toscanelli-Karte als Vorlage Hermann Wagner: Die Rekonstruktion der Toscanelli-Karte vom Jahr 1474 und die Pseudo-Faksimila des Behaim-Globus vom Jahre 1492. In: Nachrichten der königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Phil.- Hist. Klasse, 1894, S. 205-312.

(15) Vgl. dazu die Erläuterungen in den Übersichtswerken, z.B. O. Muris u. G. Saarmann (Anm. 14), S. 62.

Abbildungslegenden

(Abb. 1) Weltkarte des Henricus Martellus Germanus, Florenz (?), um 1489


Last modified: Sun Jun 15 13:51:27 CEST 2008